Wien - Mit der mutmaßlichen Entführung des Wiener Wirtschaftsanwaltes Erich Rebasso (48), der aufgrund seiner Russischkenntnisse auf Klienten aus Osteuropa spezialisiert ist, rücken nach mehrjähriger Medienabstinenz wieder die Begriffe Ostmafia und Russenmafia ins Zentrum der medialen Berichterstattung. Im Gegensatz zu früher ist die Polizei aber vorsichtig geworden mit einer Einschätzung der Lage.
Mitte der 90er-Jahre, als Auftragsmorde das als Mafia-Ruheraum geltende Österreich erschütterten (siehe Chronologie), war offiziell von zehn bis 15 Paten aus der ehemaligen UdSSR die Rede, die sich in Wien niedergelassen hatten - und mit enormen Summen illegale Geschäftszweige wie Glücksspiel, Rotlicht und Suchtgifthandel aufmischten. Vor allem aber investierten die schnell zu Reichtum gekommenen Hinterleute in den Immobilienmarkt. Woher das Geld stammte, konnte in den seltensten Fällen überprüft werden. Also blieb den Sicherheitsbehörden nicht mehr, als vor dem sogenannten White-Collar-Crime (benannt nach den weißen Business-Hemdkrägen) zu warnen.
Fast zwanzig Jahre später sind immer noch viele russischstämmige Geschäftsleute gut im Immo-Geschäft - und legal, wie man im Bundeskriminalamt betont. Gegen die Wiener Großgrundbesitzer mit mittlerweile weltweiten Firmenimperien gibt es keine strafrechtlichen Vorwürfe. Auch Rechtsanwalt Erich Rebasso verkehrte beruflich in diesen Kreisen, mit seinem Verschwinden vor zwölf Tagen hat das aber laut Polizei nach derzeitigem Stand der Ermittlungen nichts zu tun.
Fahndung läuft auch in Russland
Wie berichtet, ist Rebasso höchstwahrscheinlich in einer Tiefgarage in der Wiener City gekidnappt worden, wie die Auswertung von Videoaufnahmen ergeben hat. Sowohl in seinem Auto als auch in einem Mietwagen wurden seine Blutspuren gefunden. Die Fahndung nach den Männern, die den Mietwagen mit russischen Pässen ausgeliehen hatten, läuft - auch in Russland, wo versucht worden sein soll, Rebasso einen großen Anlagebetrug anzuhängen. In Österreich konnte der Jurist die Vorwürfe durch eine Selbstanzeige entkräften lassen, die Justiz hat die Ermittlungen eingestellt. Aus Russland sollen aber trotzdem weiter Drohbriefe an Rebasso eingelangt sein - was ein mögliches Motiv für eine Entführung liefern könnte.
Was sich seit den Wiener Auftragsmorden nicht verändert hat, ist, dass manche Tätergruppen aus dem Raum der früheren UdSSR nicht lange fackeln: ein Großteil der zum Teil brutalen Überfälle auf Juweliere wird laut Kriminalitätsbericht baltischen und armenischen Gruppierungen zugeordnet. Auf organisierte Einbruchstouren seien vor allem georgische und moldawische Banden spezialisiert.
Insgesamt sind Anzeigen wegen Bildung einer kriminellen Organisation stark rückläufig (2006: 70, 2011: 25). Geldwäscheanzeigen haben sich hingegen zuletzt auf 582 verdoppelt - allerdings gab es in diesem Bereich im Vorjahr nur 24 Verurteilungen. Rund 23 Millionen Euro wurden wegen Geldwäscheverdachts eingefroren.
Schutzgelderpressungen
Im Wiener Rotlicht sind Gruppierungen aus der ehemaligen Sowjetunion dagegen nicht mehr stark vertreten, heißt es bei der Polizei. Bei den Gürtel-Lokalen seien mittlerweile alle Nationen vertreten, der Straßenstrich ist vorwiegend in rumänischer und bulgarischer Hand. Eine gewisse Rolle spielen Tschetschenen, die als Muskelmänner agieren.
Was Ermittler allerdings beobachten, ist, dass es innerhalb der tschetschenischen Community immer wieder Fälle von Schutzgelderpressungen geben soll, angezeigt werden die aber praktisch nie. (Michael Möseneder/Michael Simoner, DER STANDARD, 8.8.2012)