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SPD-Chef Sigmar Gabriel will in der Eurokrise neue Wege beschreiten und dafür auch das Volk befragen.

Foto: REUTERS/Thomas Peter

Eigentlich wollte sich SPD-Chef Sigmar Gabriel in diesem Sommer zurückhalten. Seine Tochter Marie ist erst wenige Monate alt und er selbst in Karenz. Doch die Eurokrise lässt ihn nicht zur Ruhe kommen, und so hat sich der oberste Genosse nun mit einem Vorschlag zu Wort gemeldet, der der deutschen Kanzlerin Angela Merkel nicht ins Konzept passt.

Die Europolitik der deutschen Regierung - immer noch mehr Geld zur Rettung zur Verfügung zu stellen - hält er für "gescheitert". Er plädiert für eine gemeinschaftliche Haftung aller Eurostaaten bei gleichzeitiger strenger gemeinsamer Haushaltskontrolle. Ein Verfassungskonvent soll dazu eine Grundgesetzänderung zur Übertragung der Haushaltsrechte des Bundestags auf die EU erarbeiten. Dazu soll es in Deutschland eine Volksabstimmung geben.

Pläne

Gabriel spricht sich damit für einen Vorschlag der Professoren Jürgen Habermas, Peter Bofinger und Julian Nida-Rümelin aus, den diese für die Wahlprogrammdiskussion der Sozialdemokraten für die Bundestagswahl 2013 ausgearbeitet haben. Gabriels Plan: Er will das Konzept den SPD-Gremien und auch den anderen sozialdemokratischen Parteien in Europa nahebringen.

In der Regierungskoalition ist man alarmiert. Denn von einer Vergemeinschaftung der Schulden hält man dort nichts, das hat Merkel immer wieder klargemacht. "Gabriels Vorschlag bedeutet, dass Arbeitnehmer, Rentner, Sparer und Unternehmer für die Schulden der anderen Mitgliedstaaten aufkommen sollen. Als Abgeordneter des Deutschen Bundestags fühle ich mich jedoch diesen Menschen verpflichtet und nicht der sozialistischen Internationale", lästert daher der Vize-Chef der Unions-Bundestagsfraktion, Michel Meister (CDU).

Auch eine Volksabstimmung über das Grundgesetz sieht man dort skeptisch. Zu groß ist die Sorge, dass die Deutschen gegen ein "Mehr an Europa" votieren. Erst in einigen Jahren, wenn sich die Lage wieder beruhigt habe, könnte man an einen solchen Schritt denken, heißt es in der CDU-Fraktion.

Alternative zur Sparsamkeit

Sollte sich Gabriel in der SPD mit seinem Vorschlag durchsetzen, dann könnten sich die Sozialdemokraten im Wahlkampf auf diese Weise als Alternative zur sparsamen Merkel anbieten. Bisher hat die SPD bei Eurorettungsabstimmungen im Deutschen Bundestag die Regierungskoalition unterstützt und dreimal die fehlende Kanzlermehrheit Merkels ausgeglichen.

Die Grünen begrüßen Gabriels Vorschlag. Europa müsse konstruktiv weitergedacht werden, sagt Parteichefin Claudia Roth: "Zur Rettung des europäischen Projekts ist ein breiter Konsens für ein integriertes, demokratisches und soziales Europa notwendig. Nationale Ressentiments, egal aus welcher Motivation heraus, lassen Europa dagegen gegen die Wand fahren." (Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD, 8.8.2012)