Auf der Plattform www.modelmayhem.com finden sich ein paar Details über Daniel Wiezorrek, dem angeblichen "Shootingstar der deutschen Modelszene". Der Link zur Homepage des 19-Jährigen geht aber ins Leere.

Screenshot: www.modelmayhem.com

Hier ist ein Faksimilie jenes Artikels, in dem Wiezorrek als "deutsche Antwort auf Karl Lagerfelds Muse Baptiste Giabiconi" bezeichnet wird.

Screenshot: www.msg-magazin.com

Wie das mit dem Berühmtsein ist, wissen wir: Berühmte Menschen sind berühmt, weil sie etwas können oder erreicht haben. Oder weil oft genug behauptet wird, dass sie berühmt sind. Von diversen Medien. Im Notfall reicht dafür eines.

Der erste Schritt ist überhaupt einmal wahrgenommen zu werden. Gut ist da etwa mit jemandem zu schlafen, der tatsächlich berühmt ist. Besser ist es, danach öffentlich Schmutzwäsche zu waschen. Und wenn es zu alldem nicht reicht, sind Bild-Publikationen mit und neben Promis hilfreich.

Was tun?

Bloß: Wie schafft man es, namentlich neben - sagen wir - Brad Pitt, den man halt beim Sonntagszeitungsholen traf, abgebildet zu werden? Leute, die fürs Berühmtsein berühmt sind, schweigen da lieber. Auch jene Journalisten, die - weil halt grad kein echter Promi da ist - irgendwen berühmt machen, halten dicht. Klar: Kein Zauberer verrät seine Kartentricks - auch nicht die ganz billigen.

Darum lassen Sie mich Ihnen eine Geschichte erzählen. Die Geschichte eines jungen Top-Models. Er ist 19, stammt aus der Gegend von Unna in Deutschland, gilt als "Shootingstar der deutschen Modelszene" und "deutsche Antwort auf Karl Lagerfelds Muse Baptiste Giabiconi". Das ist nicht nix. Ob Lagerfeld aber von der Existenz eines Daniel Wiezorrek weiß, steht auf einem anderen Blatt. Denn googelt man Lagerfeld und Wiezorrek, gibt es nur einen Treffer: Den Artikel, in dem Wiezorrek "deutsche Antwort auf ..." genannt wird.

Who is?

Falls Sie noch nie von Daniel Wiezorrek gehört haben, macht das nichts: Vermutlich sind Sie ebensowenig Model-Experte wie ich. Bloß: Wieso ziehen auch Booker, Agenturchefs und Fotografen die Braue hoch und fragen erstaunt: "Daniel Wie?" Dabei soll der 19-Jährige die Fashionweek in Berlin gerockt haben und wurde darüber hinaus soeben für den Copaz-Kalender "geshootet". Der Kalender ist "gewissermaßen der 'Pirelli' der Male-Models". Steht in einschlägigen Medien.

Womit wir der Sache näher sind: "Einschlägige Medien" gibt es zuhauf. Und weil Suchmaschinen selten die Relevanz und den Verbreitungsgrad der Seiten, auf denen sie fündig werden, beschreiben, kann man Daniel Wiezorrek nur gratulieren: Egal ob oder wie der 19-Jährige tatsächlich im Geschäft ist - er sorgt dafür, dass sein Name zumindest mittelfristig zum Begriff wird. Und irgendwann wird ein Redakteur eines großen Mediums auf der Suche nach einer Story sein, auf den Namen Wiezorrek stoßen, den Namen googeln - und genau den Schmus von oben wiederholen. Ab dem Moment wäre es amtlich: Wiezorrek ein Promi - und mit den Buchungen wird es (noch) besser laufen.

Das Magazin

Der Clou: Die schönen Beiwörter zum Jungmodel aus Bönen (Landkreis Unna) stehen im "Message Magazin". Es unterscheidet sich in nichts von den 1001 anderen Lifestyle-Magazinen - solange man nicht in die Rubrik "Team & Werbung" schaut. Dort findet sich der Hinweis, dass man um 299 Euro das eigene Unternehmen, um 199 Euro "Produkte, Dienstleistungen und Events" redaktionell beschreiben lassen kann. "Text und Bilder kommen ... von Ihnen und unsere Online Redaktion bereitet den Eintrag dementsprechend auf". Und bevor Sie aufschreien: Das ist nicht unsauberer, als das, was viele andere Medien längst (teurer) tun - nur offener. Also ehrlicher.

Darüber hinaus kann man im Bereich "People & Society" Adabei-Stories samt Fotos einsenden. Kostenlos. "Unsere Redaktion prüft alle Einreichungen und schaltet diese nach eigenem Ermessen frei", heißt es. Man muss nicht besonders hell sein, um sich aus diesen beiden Angeboten einen Reim zu machen.

Ausgewiesen

Dass die Macher des Magazins "unsauber" agieren, kann man nicht sagen: Reguläre Artikel sind mit dem Namen eines Mitarbeiters aus dem Impressum versehen. Gekauftes und Selbsteingeschicktes kommt von "Redaktion": Sobald man darauf schaut, ist das nicht zu übersehen. Bloß: Wer tut das schon?

Dass Daniel Wiezorrek dieses Tool nutzt, ist nicht böse oder falsch. Eher im Gegenteil: In der PR gilt, was wirkt. Und dass das 19-jährige Model den Fotografen André Schüssler als "Topstar für die fotografische Arbeit mit männlichen Models" bezeichnet, ist fast schon genial: Denn Schüssler ist z.B. via hochzeitsfotografen24.de buchbar und unter seinem Pseudonym Copaz als Model-Fotograf tätig. Dass er auch den männlichen Verschnitt des Pirelli-Kalenders - den Copaz - macht, ist selbstredend.

Wobei: Ich habe Zweifel, ob die Idee, via "Message-Magazin" zu Societymedia-Suchmaschinenentreffern zu gelangen, tatsächlich von der "deutschen Antwort auf Karl Lagerfelds Muse" stammt: In jedem Artikel, in dem das Supermodel auftaucht, kommt auch ein anderer Bekannter aus Selbstwichtelland vor: Adoptivhoheit "Prinz" Mario-Max Schaumburg-Lippe, der "junge Royal und Medienliebling". So steht es im "MSG-Magazin". Gezeichnet mit "Redaktion". (Thomas Rottenberg, derStandard.at, 8.8.2012)