Bremen - Auch unter dem Meeresboden bzw. im Boden selbst zirkulieren gigantische Mengen an Wasser: Ein weit verzweigtes Netz aus Rissen und Poren, die im Größenbereich von Dezimetern bis Mikrometern liegen, bietet Raum für einen "Ozean unter dem Ozean", wie das Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen (MARUM) schreibt. Schätzungen zufolge zirkulieren dort ständig etwa zwanzig Millionen Kubikkilometer Meerwasser - das sind ein bis zwei Prozent des gesamten Ozeanwassers und deutlich mehr, als das Schwarze Meer, das Mittelmeer und die Ostsee zusammen enthalten.

Für Laborforschungen zu diesem Bereich hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) nun dem Bremer Meeresforscher Wolfgang Bach Fördergelder in Höhe von 1,5 Millionen Euro bewilligt. Damit will der MARUM-Wissenschafter in den kommenden fünf Jahren modellhaft untersuchen, welche Prozesse ablaufen, wenn aufgeheiztes Meerwasser in der Ozeankruste zirkuliert.

Schwarze Raucher

Im Mittelpunkt des Interesses stehen dabei die sogenannten "Schwarzen Raucher": An mittelozeanischen Rücken oder untermeerischen Vulkanen heizt Magma das im Meeresgrund zirkulierende Wasser auf. Die Folge ist ein chemischer Cocktail der besonderen Art: Das Wasser nimmt Kalzium und Silizium auf und laugt bei Temperaturen von 350 bis 400 Grad Celsius Eisen, Mangan und andere Metalle aus der Ozeankruste. Weil das aufgeheizte, mit den gelösten Metallen beladene Wasser spezifisch leichter ist, bahnt es sich einen Weg durch die Klüfte und schießt als schwarzer "Rauch" aus dem Meeresboden. Dort fällt ein Teil der gelösten Stoffe wieder aus.

Bald besiedeln speziell angepasste Bakterien, Krebse und weitere Organismen die Austrittsstellen der Schwarzen Raucher, die sich so zu Oasen in der Tiefsee entwickeln. Manche Biologen vertreten sogar die Hypothese, dass sich das Leben auf der Erde ursprünglich in solchen Tiefseebiotopen und nicht unter dem Einfluss der Sonneneinstrahlung entwickelt hat.

Der Zweck des Modells

Da es unerschwinglich wäre, die chemophysikalischen Vorgänge "im Original", also fernab der Küsten und in mehreren tausend Metern Tiefe, langfristig und systematisch zu untersuchen, holt sich Bach im Rahmen seines Projekts den Ozeangrund quasi ins heimische Labor: "Wir werden eine Durchströmungsanlage bauen, in die wir einen zylindrischen Kern von nur einem Zentimeter Durchmesser spannen. Dabei kann es sich um natürliche Gesteine oder um synthetisches Material handeln."

Im Rahmen der Versuchsanordnung wird dieser Modell-Meeresboden dann quasi zum Schwarzen Raucher en miniature: Mit bis zu 400 bar pressen die Wissenschaftler bis zu 250 Grad Celsius heißes Wasser durch den Kern. Dabei messen sie, wie sich die Durchlässigkeit des Materials und gleichzeitig die Zusammensetzung des Wassers verändert. Anschließend röntgen sie den Kern im Computertomografen, um Gefügeänderungen zu erfassen. Abschließend sollen die erhobenen Daten in ein Rechenmodell einfließen, dass die im realen Meeresboden ablaufenden Prozesse besser als bislang abbildet. (red, derStandard.at, 7. 8. 2012)