"China International Foundation": Yonamines raumgreifende Installation aus Ytongsteinen symbolisiert die rasante Ausbreitung chinesischer Investoren in Angola.  

Foto: Foto: Rainer Iglar / Salzburger Kunstverein

"Dipoló" titelt die Installation aus bedruckten Zeitungsseiten, mit der Yonamine das quasi barrierefreie Reisen der Diplomaten thematisiert. 

Foto: Foto: Rainer Iglar / Salzburger Kunstverein

Auslöschen und Einschreiben sind zentrale Motive der Ausstellung "No Pain".

Wien - Blechernes Trommeln bestimmt den Raum. Entfernt erinnert es an rituelle Trommeln, aber viel mehr klingt es wie Regen, der auf Blech tropft. Unregelmäßig und sich da und dort rhythmisch überlagernd, so, als würde es in jeder Ecke des Salzburger Kunstvereins hineinregnen. Aber draußen scheint die Sonne.

Quelle der dumpfen, unruhigen Blechmusik sind zwölf Monitore: Can (2010) ist eine Arbeit des aus Angola stammenden 37-jährigen Künstlers Yonamine. Auf jedem der zwölf nahsichtigen Videos sieht man Hände, die mit einer Nadel, wie man sie zum Tätowieren verwendet, Löcher in Getränkedosen stechen. Fein säuberlich, so als ginge man einem Kunsthandwerk nach, werden Markennamen und Logos nachgezeichnet; wie wertvolle Erinnerungen werden sie dem Material eingeschrieben.

Die Wahrheit ist allerdings weniger rosig. Die Blechornamente haben mehr mit dem Verdrängen, mit einem Betäuben zu tun: Denn in Angola ist es üblich, alte Getränkedosen als Haschpfeifen zu recyceln - eine eher dem Rausch verpflichtete Nachhaltigkeit.

"Coke" hätte sein Leben tätowiert, sagt Yonamine, der schon Blätter des Kokastrauches oder Kakteen tätowiert hat. Ein Foto von 2012 zeigt den Schriftzug "No Pain", tätowiert auf ein Stück Schwarte. In Bezug auf das Fertigen von Tattoos ist die Aussage ein Paradoxon. Sie charakterisiert eher das Überdecken seelischer Pein durch körperliche Schmerzen.

Yonamines Praxis steht für eine Sehnsucht nach Einschreibung, für die Suche nach Identität. Denn zunächst bedingt durch den mehr als 25 Jahre währenden Bürgerkrieg in seiner Heimat Angola war Transit und Flucht eine Überlebensstrategie. Er wechselte häufig den Wohnort, lebte in Zaire (heute Republik Kongo), Brasilien, Portugal und Großbritannien.

Und obwohl der Krieg seit 2002 beendet ist, dauert Yonamines Reise an. Die Rastlosigkeit ist ihm geblieben und bestimmt auch die Materialität seiner Arbeiten. Entweder seine Formate sind wie Foto und Video reisefreundlich, oder er entwickelt seine Arbeiten vor Ort. So wie jene für den Salzburger Kunstverein realisierte Arbeit mit dem Titel China International Foundation. Auch diese raumbestimmende Installation aus Ytongsteinen ist vom Moment der Bewegung gekennzeichnet. Der Ausstellungsbesucher ist eingeladen, die aufgetürmten Steine zu erklimmen, das unbekannte Terrain Schritt für Schritt zu vermessen. Entweder er kann auf dieser Route das unregelmäßige Muster als Lettern entziffern, oder er hilft sich mit dem Blick auf den Überwachungsmonitor, der zwischen den Steinen verborgen ist und die Installation in Übersicht zeigt: "C - i - f".

Für perfekte Sauberkeit

Die Assoziation des Akronyms mit dem Scheuermittel ist gewollt. Geht es Yonamine doch auch in dieser Arbeit um Einschreibung - und um ihren Gegenspieler - die Auslöschung. Fast 30 Jahre nach dem Ende der Kolonialmacht der Portugiesen "besetzt" die titelgebende China International Foundation Angola, indem sie Grund in großem Stil aufkauft. Die Steine symbolisieren die Immobilien, mit denen China seinen Expansionstrieb in Angola verfestigt. Über den Namen der kommenden Bevölkerung wird bereits bitter gescherzt: Statt "Mulattos", wie man die Nachkommen von Afrikanern und Portugiesen nannte, würden bald "Chilattos" in Angola leben.

Yonamine, der an zahlreichen Biennalen, darunter jener von São Paulo, Sharjah und Havanna teilgenommen hat, ist im europäischen Ausstellungskontext noch relativ unbekannt. Die Schau im Salzburger Kunstverein ist daher - mit Ausnahme von Portugal - die erste größere europäische Ausstellung seiner Arbeit. Eine Neuvorstellung, die vielversprechend ist. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 9.8.2012)