Berlin - Die deutsche Bundesregierung streitet über die steuerliche Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften. Vizekanzler Philipp Rösler (FDP) sprach sich am Mittwoch dafür aus, Benachteiligungen sofort zu beseitigen. Auch die übrigen FDP-geführten Ressorts meldeten Handlungsbedarf an. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) lehnt eine Ausweitung des Ehegattensplittings auf eingetragene Lebenspartnerschaften hingegen ab. Eine Sprecherin verwies auf den besonderen Schutz von Ehe und Familie durch das Grundgesetz. Auch CSU-Chef Horst Seehofer erteilte einer Gleichstellung eine Absage.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hält sich in der Debatte bedeckt. Zwar sei sie in ihrem Urlaub mit der Angelegenheit befasst, doch wolle sie sich von dort nicht aktiv "in den Ring werfen", sagte der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter. Er betonte, Merkel stehe zur Absprache im Koalitionsvertrag, wonach gleichheitswidrige Benachteiligungen im Steuerrecht abgebaut werden sollten. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer lehnte eine Gleichstellung ab. "Ehe und Familie sollten privilegiert bleiben. Daran sollten wir nicht rütteln", sagte er der Zeitung "Die Welt" laut Vorausbericht. Vor einer Korrektur des Ehegattensplittings sollte zudem ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts abgewartet werden, sagte Seehofer in Übereinstimmung mit Schäuble.

Das höchste deutsche Gericht gab am Mittwoch allerdings einen Fingerzeig zur Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften: Es entschied, dass die Benachteiligung eingetragener Lebenspartner bei der Grunderwerbssteuer bis zum Jahr 2010 gegen das Grundgesetz verstieß. Die jetzt geltenden Steuervorteile müssten rückwirkend bis 2001 auch für Altfälle gelten. Das Gericht gab dem Gesetzgeber bis Ende des Jahres für eine Neuregelung Zeit.

Gemeinsame Steuerveranlagung

Eine Gruppe von 13 CDU-Abgeordneten wie auch Familienministerin Kristina Schröder hatten betont, eingetragene Lebenspartner trügen genauso wie Ehegatten Unterhalts- und Einstandspflichten füreinander. Die gemeinsame Steuerveranlagung auch für Lebenspartnerschaften sei deswegen konsequent.

Wirtschaftsminister und FDP-Chef Rösler schloss sich der Argumentation an. Es sei konsequent, dass gleiche Pflichten auch gleiche Rechte nach sich zögen, sagte sein Sprecher Holger Schlienkamp. Rösler sehe in der Koalition Erörterungsbedarf. Mehrere Urteile seien Indiz dafür, dass im Steuerrecht eine Gleichbehandlung geboten sei. "Deshalb ist aus seiner Sicht die Zeit auch reif, das Thema jetzt politisch aufzugreifen und nicht bis 2013 zu warten", sagte Röslers Sprecher.

Die katholische Kirche verwies in der Diskussion unterdessen auf das Grundgesetz. Dort sei der besondere Schutz der Ehe festgeschrieben, sagte der Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst dem "Tagesspiegel" (Donnerstagausgabe) laut Vorausbericht. "Daraus ergeben sich Rechtsnormen, zu denen auch die Regelung des sogenannten Ehegattensplitting gehört", erklärte der Geistliche, der in der Bischofskonferenz Vorsitzender der Kommission für Ehe und Familie ist.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier kündigte in der "Rheinischen Post" einen fraktionsübergreifenden Antrag zum Ehegattensplitting für die Homo-Ehe an. Die Grünen warnten davor, die steuerliche Gleichstellung und die Reform des Ehegattensplittings gegeneinander auszuspielen. Unabhängig von der Gleichstellungsfrage müsse das Splitting endlich abgeschmolzen werden, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Volker Beck, der Nachrichtenagentur Reuters. Man könne Homosexuellen aber nicht sagen, sie müssten mit der Gleichstellung warten, bis es eine Reform des Splittings gebe.

Das Ehegattensplitting steht in der Kritik, weil es Familien mit nur einem Verdiener sowie solche mit großen Einkommensunterschieden begünstigt. Nach Angaben des Finanzministeriums beträgt die Steuerersparnis für Ehegatten mit der Regelung knapp 20 Milliarden Euro. Eine Ausdehnung auf die rund 23.000 eingetragenen Lebenspartnerschaften würde rund 30 Millionen Euro kosten. (APA/Reuters, 8.8.2012)