Von der Politik der "null Probleme mit den Nachbarn" ist nichts mehr übrig: Ankara reagiert erbost auf Vorhaltungen aus Teheran. Die Türkei unterstützt die syrischen Rebellen, der Iran bietet Assad Hilfe. Das bringt die beiden Länder gegeneinander auf.

 

Ankara/Athen - Die Prophezeiung von Hassan Firouzabadi klingt den Türken in den Ohren. Die Türkei habe Blut an den Händen, sagte der iranische Stabschef zu Wochenbeginn. Wenn sie weiter den "Terror von Al-Kaida" in Syrien unterstütze, warnte Firouzabadi unter Anspielung auf die ausländischen Islamisten in den Reihen der syrischen Rebellen, dann sei die Türkei als Nächstes an der Reihe: ein ernster Hinweis an "unsere Freunde".

Wütend weist die türkische Regierung in Ankara die Vorwürfe zurück. Alles sieht sie nun brechen. Nach dem Ende der Diplomatie in Syrien sind nun zum ersten Mal die Spannungen zwischen den regionalen Rivalen Iran und Türkei für alle Welt sichtbar geworden. Die einen sind die letzten Verbündeten von Bashar al-Assad, die anderen unterstützen die politische Opposition und die bewaffneten Kämpfer.

"Ich frage die Iraner: Wenn die Syrer aus ihrem Land fliehen, sollte der Iran nicht über den Grund nachdenken?", polterte Regierungschef Tayyip Erdogan in einer Rede vor Parteifunktionären los. "Und bevor sie darüber nachdenkt, muss sich die iranische Führung selbst zur Verantwortung ziehen."

Ein kurzfristig anberaumter Besuch des iranischen Außenministers Ali Akbar Salehi in Ankara am Dienstagabend sollte die Wogen glätten und die gleichzeitigen Erklärungen des Chefs des nationalen iranischen Sicherheitsrats, Saeed Jalili, in Damaskus in ihrer Wirkung dämpfen. Der hatte den Syrern versichert, der Iran werde nicht erlauben, dass die "Achse des Widerstands" in irgendeiner Weise gebrochen werde.

Doch an der Tatsache, dass sich der Iran und die Türkei nun offen gegenüberstehen, hat Salehis Blitzbesuch bei seinem türkischen Kollegen nichts mehr geändert. Gelingt auch nicht rasch die Freilassung von 48 Iranern in Syrien, die von Rebellen entführt wurden, wird sich das Verhältnis weiter verschlechtern. Teheran gibt an, bei den Entführten handle es sich um schiitische "Pilger"; Vertreter der von der Türkei unterstützten Freien Syrischen Armee sagen, es seien Mitglieder der iranischen Revolutionsgarde. "Die Türkei und der Iran gehen durch eine ernste Krise. Wir können erwarten, dass sie tiefer wird", glaubt Veysel Ayhan, Direktor des Internationalen Friedens forschungsinstitut für den Nahen Osten in Ankara.

Die türkische Regierung habe sich verrechnet mit ihrem Versuch, alle syrischen Regimegegner unter den Schirm eines Oppositionsbündnisses zu bringen, sagt Ayhan im Gespräch mit dem Standard. Zu groß seien Furcht und Misstrauen der Alawiten, der Christen oder der Kurden vor den Umstürzlern. Die Folge ist das sich nun abzeichnende Chaos in einem Syrien nach Assad. (Markus Bernath /DER STANDARD, 9.8.2012)