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Im Vorjahr wurde gestreikt, auch heuer kracht es.

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Wien - Eine gute Stunde währte am Mittwoch die Sitzung der Gewerkschaftsspitzen der Metaller und Privatangestellten. Dann war klar: Bei der Herbstlohnrunde wird es auch heuer krachen. Auslöser sind Pläne der Arbeitgeber, die Gehälter künftig nicht mehr im Verbund, sondern nach Branchen getrennt zu verhandeln.

40 Jahre lang feilschten die Metaller jeden Herbst gemeinsam um die Gehälter für mittlerweile rund 175.000 Beschäftigte. Nun soll wie der Standard berichtete, alles anders werden: Die Maschinen- und Metallwarenindustrie (FMMI) als größter Fachverband mit 116.000 Mitarbeitern schert aus und stellt eigene Verhandlungsteams auf. In der Folge bereiten sich neben den Gießereien auch die übrigen vier Verbände, u. a. Autoindustrie und Bergwerke, auf den Absprung vor.

Karl Proyer, Vizechef der GPA, wertet die geforderte Aufsplitterung als "klare Kampfansage". Sie diene einzig und allein der mittelfristigen Beschneidung der Löhne und der Mitbestimmung der Verbände. "Da sind wir nicht mit dabei." Das Wort Streik nahm er vorerst nicht in den Mund, gab sich vielmehr betont entspannt. Er hoffe, "dass die Vernünftigen unter den Arbeitgebern siegen werden".

Streiks möglich

FMMI-Obmann Christian Knill rechnet nicht mit Streiks, andernfalls werde man das hinnehmen. An eigenen Lohnrunden führt für ihn jedenfalls kein Weg mehr vorbei. "Wir wollen selbstständig und direkt verhandeln. Und der richtige Zeitpunkt dafür ist jetzt." Nur weil etwas 40 Jahre lang gutgegangen sei, dürfe man sich Veränderungen nicht entziehen, was auch für seine Firmengruppe Knill gelte, die rund 300 Jahre alt sei.

Mit der Lohnverhandlung los legen wollen die Arbeitgeber am 10. September. "Da wird mit genau keinem verhandelt", richtet Proy er aus. Das sei ein Bruch mit der Tradition. Die Gewerkschaft ziehe ihre eigenen Gespräche nicht vor.

Stark im Gebälk der Sozialpartner knirschte es schon im Vorjahr. Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl klinkte sich nach Warnstreiks ein und erzwang eine Einigung - die aus Sicht vieler Arbeitgeber zu hoch ausfiel. Als Retourkutsche sehen viele den lauten Ruf nach Aufsplittung, andere sprechen von offenen Rechnungen, die nun eingelöst würden.

Ulrich Schuh hält mehr Dezentralisierung für sinnvoll: Je differenzierter die Verhandlungen seien, desto besser könne auf unterschiedliche Bedürfnisse der Un ternehmen Rücksicht genommen werden, meint der Chef des Forschungsinstituts EcoAustria.

Warnung

Er warnt aber vor einem Auseinanderbrechen des "lange Zeit gut funktionierenden" Systems österreichischer Lohnrunden. Metaller stellten die Weichen für die gesamte Volkswirtschaft. Bis 2010 habe die im Vergleich zu anderen Ländern hohe Harmonie die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt.

Christine Mayrhuber, Expertin im Wirtschaftsforschungsinstitut, ist ganz anderer Meinung: Zentrale Lohnverhandlungen verhinderten, dass die Einkommen zu stark auseinanderdrifteten, sagt sie. Es müsse hier langfristig und gesamtwirtschaftlich gedacht werden.

Am Verhandlungstisch der Metaller liegt neben dem Gehaltsabschluss einmal mehr das Thema Arbeitszeit. Stärkere Flexibilisierung sei, sagt Knill, einer von vielen Punkten, die angegangen werden sollen. Schuh sieht darin einiges Potenzial für mehr Effizienz, "das nicht zulasten der Arbeitgeber geht". Für Mayrhuber gibt es hier keinen weiteren Handlungsbedarf: Es habe sich dazu bereits viel getan. Allein der Boom der Teilzeitjobs ermögliche den Unternehmen hohe Flexibilität.

Was das konjunkturelle Umfeld für die Kollektivverträge betrifft, ist heuer das erste Halbjahr besser als befürchtet verlaufen. Die Seite der Arbeitnehmer sieht dennoch keinen Grund für Optimismus. Es gebe klare Indikatoren dafür, dass die kommenden drei Jahre schwächer verlaufen, sagt Knill. Investoren ziehen sich zurück, Österreich habe eine Durststrecke vor sich, bestätigt Schuh. Er verweist aber auch auf die hohe Inflation, die Bedeutung einer starken Kaufkraft und Österreichs nach wie vor hohe Wettbewerbsfähigkeit. Kräftige Lohnsteigerungen durchzusetzen werde heuer aber schwierig. 2011 sei die letzte große Chance dafür gewesen. (Verena Kainrath, DER STANDARD, 9.8.2012)