Für den Laien optisch anfangs kaum vom Badeschwamm zu unterscheiden, ist die Krause Glucke der Beweis, dass auch Parasiten gut schmecken können.

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Die Krause Glucke ist der Beweis, dass auch Parasiten herrlich schmecken können – bloß kosten muss man sie. Sicher, ihr Lebensstil klingt nicht appetitlich: Als sogenannter Saprobiont ernährt die Glucke sich von Verrottendem, in ihrem Fall von alten Föhren. Sie dringt in deren Stämme ein und sorgt dort für eine profunde Braunfäule. Außen aber sprießt ab dem Spätsommer ihr nobel blassgelber Fruchtkörper.

Für den Laien auf den ersten Blick kaum vom Badeschwamm zu unterscheiden, befriedigt er die Sehnsucht nach Exotik ebenso wie den Wunsch nach lokal Gewachsenem. Er ist selten genug, um besonders zu sein, wächst aber doch so häufig, dass die Suche nach ihm nicht völlig frustriert; und er schmeckt erstaunlich gut.

Gegart hat die Glucke eine ähnliche Konsistenz wie feste Morcheln oder, für Fans, wie Hahnenkämme. Ihr Aroma ist tief und dicht, kräftiger als das des Steinpilzes, weniger aufdringlich und süß als das des Eierschwammerls. Sie schmeckt pilzig, nussig und waldig – was auch daran liegen mag, dass selbst der pedantischste Putzer eine gewisse Menge ihres Wuchsortes mitverspeisen wird.

Niemals darf sie nämlich gewaschen werden, weil sie sonst an Geschmack einbüßt, auch wenn manch Rezept anderes verlangt, sagt Meinrad Neunkirchner, Küchenchef des Gasthauses Freyenstein in Wien und Experte für alles wild Gewachsene. Stattdessen wird sie wie Karfiol in ihre Bestandteile zerlegt und der Strunk entfernt. Mit einem Pinsel versucht der Gluckenkoch dann, den gröbsten Dreck wie tote Käfer oder Fichtennadeln aus ihren Verästelungen zu kehren.

Jede Saison am gleichen Stamm

Anschließend wird sie in kleine Stücke gerissen und nur ganz kurz gegart, etwa scharf angebraten, bis sie kein Wasser mehr lässt und bald beginnen würde, Farbe zu nehmen. Anschließend wird sie mit etwas Nussöl und Säure mariniert und lauwarm aufgetragen. Der motivierte Pilzkoch brüht noch aus dem Strunk einen Sud, reduziert diesen ein wenig und schwenkt die Gluckenstücke vor dem Servieren darin.

Als ein Highlight unter den heimischen Speisepilzen bezeichnet Neunkirchner den Baumschwamm, bloß gegessen werde er viel zu selten. Neunkirchner sammelt sie selbst oder bekommt von seinem Pilzhändler gelegentlich ein, zwei mitgebracht. Er serviert sie als Vorspeise zu gebackenen Tomaten oder zu kräftigen Süßwasserfischen, oder er legt sie zusammen mit einigen Walnüssen ein.

Während der Pilzsucher normalerweise bis in den frühen Herbst auf die Glucke warten muss, sprießt und gedeiht sie heuer witterungsbedingt schon früher. Das nördliche Waldviertel und der westliche Wienerwald gelten derzeit als gutes Gluckenrevier. Wer einmal eine entdeckt hat, kann im nächsten Jahr wieder zur Ernte kommen: Solange genug Föhre da ist, treibt der Pilz jede Saison wieder am gleichen Stamm aus. (Tobias Müller, Rondo, DER STANDARD, 10.8.2012)

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