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Flora ist fein, im Garten lebe aber auch die Fauna: Und die ist ganz schön vielgestaltig.

Foto: Reuters/HYUNGWON KANG

Ein alter Irrtum irrender Alter ist die Unterstellung, ein Garten habe in erster Linie mit Pflanzen zu tun. Doch ein Garten kann viel mehr. Ein Garten ist der Raum, in dem der Gestalter nicht zwingend göttlich ist, sondern mit seinen bescheidenen Mitteln versucht, ein funktionierendes Zusammen von Tier und Pflanze zu schaffen, und zwar nach eigenem Sinn. Nicht mit einer Rippe beginnt der schöpfende Gärtner, sondern zumeist mit einem Packerl Gartenerde. Der Rest ist bekannt.

Ein einziges Verstoffwechseln

Staude um Staude, Baum um Baum und Graserl um Graserl werden herangekarrt. Aber mit jedem einkehrenden Halm kommt auch ein Viecherl mit. Da wären die Tiere, die gerne in und gelegentlich auch über der Erde leben. Man spricht von Würmern, diversen Larven, aber auch Wühlmäusen und Maulwürfen. Je nach Zustand fressen die einander, und im Laufe des Frühjahrs gesellen sich die Singvögel und Hauskatzen hinzu, die sich auch am gegenseitigen Fressen beteiligen. Kämpfende Marder beginnen die Nacht mit seltsamem Geschrei zu füllen, Amseln übernehmen noch vor dem Morgengrauen das Kommando, und das Gurren der Tauben bringt menschliche Bewohner an den Rand des Wahnsinns. Ebenso entnervend sind Stuhlmulden von Katze und Marder, aber auch Fraßschäden von Schnecke und Raupe.

Die Ameisen hingegen sind still, kacken nicht in selbstgegrabene Löcher und fressen auch keine Pflanzen. Sie pflegen jedoch die Läuse, welche ihrerseits wieder die Pflanzen an- und aussaugen. Die ganze Tierwelt ist in so einem Garten ein einziges Verstoffwechseln, dessen muss man sich einmal bewusst werden. Wer es damit nicht so hat, wendet sich mehr den schönen, ästhetischen Aspekten der Tierwelt zu. Der Garten hat hier viel zu bieten. Vielen schlägt das Herz höher, wenn sie Zeugen des mütterlichen Lockens innerhalb einer Kohlmeisenfamilie werden, wenn Meisen-Mutter versucht, ihren Nachwuchs zum Fliegen zu animieren.

Schön anzusehen ist das Flattern bunter Schmetterlinge über eigens für sie gekaufte und gepflegte Pflanzen. Buddleja davidii, der Sommerflieder, ist hier ideal dafür. Er zieht Schmetterlinge magisch an, duftet wunderbar und blüht ohne Unterlass den ganzen Sommer über. Viele Gartenfreunde schicken ein "Jö" in die Runde, wenn sie ihren ersten Marienkäfer des Jahres erblicken. Mit verklärtem Blick lassen sie den Käfer über ihre Finger krabbeln und freuen sich, dass er immer noch und immer wieder vom höchsten Punkt, dem Mittelfinger, wegfliegt. Wie schön.

Mit Zirpen die heißesten Tage begleiten

Manch Gärtner liebt das Summen der Schwebfliegen, die bevorzugt über weniger gut riechenden Blumen in der Luft stehen und ruckartig ihre Position wechseln. Sie tun mit ihrem schwarz-gelb gestreiften Hinterleib so, als wären sie gefährlich, können aber weder stechen noch beißen. Sie sind einfach nur hübsch anzusehen.

Für mich sind aber jene Viecher mit die wichtigsten Gartenbewohner, die mit ihrem Zirpen die heißesten Tage im Jahr begleiten, dabei an Pinienhaine der Toskana oder Platanenalleen der Provence erinnern: die Zikaden, Heimchen und Heuhüpfer. Ohne diesen Sound am heißen Nachmittag, ohne das Zirp-zirp der Heimchen ist ein Sommer kein Sommer. Kommen sie nicht von alleine, so empfehle ich den Besuch eines Terrariengeschäfts - dort kann man sie als Futtertiere kaufen und im Garten freisetzen. Flora ist fein, diesmal lebe die Fauna! (Gregor Fauma, Rondo, DER STANDARD, 10.8.2012)