Der Amoklauf einer neuen Handelssoftware beim US-Börsenmakler Knight Capital scheint noch drastischere Ausmaße gehabt zu haben als bisher bekannt. Nach Informationen des "Wall Street Journal" (WSJ, Donnerstag) saß die vergleichsweise kleine Finanzfirma zeitweise auf einem Aktienberg im Wert von rund 7 Mrd. Dollar (5,69 Mrd. Euro).

Außer Kontrolle

Ein außer Kontrolle geratenes Handelsprogramm hatte am Morgen des 1. August ungebremst Aktien gekauft. Menschliche Händler bei Knight Capital hätten dann wie die Wahnsinnigen versucht, die Papiere wieder abzustoßen, hieß es unter Berufung auf eingeweihte Personen. Bis zum Ende des Tages sei der Aktienberg auf 4,6 Mrd. Dollar geschrumpft.

Der Softwarefehler hatte die gesamte New Yorker Börse in Atem gehalten, weil plötzlich massenhaft Kaufaufträge die Märkte fluteten und die Kurse verrückt spielten. Mehrere Geschäfte wurden nachträglich annulliert, was Knight Capital selbst allerdings nichts half. Nur eine 400 Mio. Dollar schwere Finanzspritze einer Gruppe von Investoren sicherte letztlich das Überleben.

Nach den Informationen des "Wall Street Journal" stand das Schicksal von Knight Capital in den Stunden nach dem Desaster auf Messers Schneide. Selbst mit dem geschrumpften Aktienberg hätte die Finanzfirma am nächsten Tag nicht weitermachen dürfen, schrieb die Zeitung. Denn das vorhandene Kapital hätte als gesetzlich vorgeschriebener Risikopuffer nicht ausgereicht.

Verzweiflung

Knight Capital habe in seiner Verzweiflung versucht, das gesamte Aktienpaket bei großen Banken loszuschlagen. Die Schweizer UBS habe aber einen Abschlag von 8 bis 9 Prozent verlangt, schrieb die Zeitung. Darauf habe Knight Capital nicht eingehen wollen. Am Ende sei Goldman Sachs eingesprungen und habe das Aktienpaket mit einem Abschlag von 5 Prozent gekauft.

Die Verhandlungen liefen im Geheimen. Auch jetzt äußerte sich Knight Capital nicht dazu. Öffentlich bekannt ist nur, dass der Verlust aus der Softwarepanne bei 440 Mio. Dollar vor Steuern liegt. Knapp die Hälfte des Minus' resultiere aus den Aktienverkäufen im Tagesverlauf, schrieb das "Wall Street Journal" unter Berufung auf eingeweihte Personen. Der Rest sei dem Abschlag beim Verkauf an Goldman Sachs geschuldet. (APA, 09.08. 2012)