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Ist das Wetter an der Verschiebung des geburtenstärksten Monats schuld? Oder der Bedeutungsverlust der Ehe? Sind es die Sternzeichenwünsche der Eltern? Antworten auf diese Fragen sind rar.

Foto: dapd/Thomas Lohnes

Wien - Bis zum Jahr 1979 war die Welt in Ordnung. Der März war in Österreich der geburtenstärkste Monat. So wie in 26 Jahren seit dem Jahr 1945 auch. Nur in sechs Jahren kamen in einem anderen Monat als dem März die meisten Kinder auf die Welt. Dann kam 1979 und mit ihm die große demografische Wende in Österreich. Nie wieder wurde der März zum geburtenstärksten Monat.

Aber auch der April und Mai - bis 1978 Nummer zwei und drei im Geburtenmonatsranking - fielen weit zurück. Der Storch bringt die Babys nicht mehr im Frühjahr, er bringt sie im Sommer. Seit 1979 ist der Juli der stärkste Babymonat. In 24 von 32 Jahren bis 2010 auf Platz eins der Geburtenstatistik - gefolgt vom August und September. Da fliegt der Storch schon bald in den Süden zurück.

Ähnliche Situation in Deutschland

In Deutschland ist dieses sommerliche Geburtenhoch übrigens ähnlich wie in Österreich. Aber warum? Die häufigste Antwort ist Kopfkratzen. "Wir haben die Verschiebung der Geburten erfasst, aber die Ursache dafür wissen wohl Demografen", gibt sich Anita Mikusalek von der Statistik Austria geschlagen.

Tatsächlich wissen Demografen mehr. Am leichtesten fällt die Erklärung für die Vergangenheit. Thomas Sobotka vom Institut für Demografie an der Akademie der Wissenschaften zieht als Begründung die frühere Verbindung zwischen Sex und Ehe an. "Im Mai oder Juni wurde geheiratet, bald darauf war die Braut schwanger. Dieser Konnex zwischen Sex und Ehe ist jetzt nicht mehr bindend."

Kirchenchroniken bestätigen aber nicht nur ehelichen Sex. Sommerfeste aller Art hätten die Menschen einander näherkommen lassen. Hochzeiten während der Schwangerschaft und dichte Taufintervalle 40 Wochen später wurden häufig von verärgerten Dorfpfarrern berichtet.

Kuscheln im Herbst

Sobotka vermutet auch wetterbedingte Ursachen hinter der Geburtenverschiebung. Im Herbst rücken die Menschen gerne näher zusammen - mit zeitversetzten Folgen.

Auch das Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock gibt bei der Frage w. o. Aber man könne Interessantes liefern. Der Geburtsmonat bestimme die wahrscheinliche Lebensdauer. Im Herbst geborene Kinder leben demnach länger, sie würden auch seltener krank. In Österreich sei dieser Effekt sogar doppelt so hoch wie im Rest Europas.

Kinderarzt und Astrologin

Peter Voitl ist Kinderarzt in Wien. Auch der Primar zuckt mit den Schultern. "Vielleicht spielt ja der Wunsch nach dem Sternzeichen der Kinder eine Rolle?", vermutet er. Die Wienerin Ingrid Petter müsste mehr wissen, sie ist Astrologin. Sie kennt zwar die Sternzeichenvorlieben ihrer Klienten, aber "wenn die sich ein Kind wünschen, sind sie froh, dass die Schwangerschaft klappt. Das Sternzeichen spielt da eine untergeordnete Rolle." Fast dieselbe Antwort geben Kinderwunsch-Kliniken. Für die dort Ratsuchenden ist das Sternzeichen das letzte Problem.

Übrigens schlägt die Geburtsstatistik auch beim Platz um die Rote Laterne Kapriolen. Seit 1945 war der November zuverlässig geburtenschwächster Monat. Bis zum Jahr 2002, seitdem sind die Februarbabys eindeutig die wenigsten.

Geklärt ist der Sommerbaby-Boom nicht. Aber er hat seine Vorteile: Kinder, die im Juli oder August zur Welt kommen, haben eine größere Chance, Fußballprofis oder Ärzte zu werden, als der Rest. Frühjahrskinder wiederum haben ein höheres Asthma- und Schizophrenierisiko, so das Ergebnis einer Studie des Office for National Statistics des Vereinigten Königreichs aus dem Vorjahr. (Gerd Millmann, DER STANDARD, 10.8.2012)