Die Anklage der Korruptionsstaatsanwaltschaft wegen Bestechlichkeit gegen den ehemaligen Innenminister und EU-Abgeordneten der ÖVP Ernst Strasser könnte nicht die einzige bleiben: Weitere Ermittlungen laufen im Zusammenhang mit der Tetron-Behördenfunk-Affäre sowie seitens der EU-Betrugsbekämpfungsbehörde und der Finanz, berichtet das Ö1-Morgenjournal.

Beraterhonorare von 560.000 Euro soll Ex-Innenminister Ernst Strasser nicht ordnungsgemäß versteuert haben. Nach dem Auffliegen der Lobbying-Affäre hat er auch vorsorglich Selbstanzeige erstattet. Dennoch gebe es Ermittlungen der Finanzbehörden. Der Ex-Innenminister habe Honorarzahlungen über eine durch einen Strohmann errichtete Firma laufen lassen. Geschäftsführer soll ein mit Strasser befreundeter Steuerberater gewesen sein, faktischer Geschäftsführer aber Strasser - so dass er die Einkünfte hätte versteuern müssen. Vom Finanzministerium und vom Finanzamt Hollabrunn war gestern keine Antwort auf die Frage zu bekommen, in welchem Stadium sich die Finanzermittlungen befinden. Man würde gerne Auskunft geben, hieß es, aus rechtlichen Gründen dürfe man das aber nicht.

Ermittlungen zu Tetron

Die EU-interne Betrugsbekämpfungsbehörde OLAF hingegen bestätigt: Es wird nach wie vor gegen Strasser ermittelt. Olaf-Sprecher Johan Wullt sagt: "Die Ermittlungen gehen ihrem Ende zu, sind aber noch nicht finalisiert."

Aber ob die EU-Betrugsbekämpfungsbehörde im Fall Strasser inhaltlich mehr zu Tage gebracht hat als die Korruptionsstaatsanwaltschaft in Wien ist fraglich. Das EU-Parlamentspräsidium hatte geplante Olaf-Hausdurchsuchungen im EU-Parlament verhindert. Erst mit Verspätung und nach richterlicher Genehmigung konnte dann die Korruptionsstaatsanwaltschaft Durchsuchungen und Beschlagnahmungen vornehmen.

Die Caua Tetron

Ernst Strassers Zeit als Innenminister in Österreich betreffen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wien zur Neuvergabe des Behördenfunknetz-Auftrags im Jahr 2003. Dass der ÖVP-nahe Lobbyist Alfons Mensdorff-Pouilly in diesem Zusammenhang lobbyiert und Jagden veranstaltet hat, gilt als erwiesen. Auch sollen fast vier Millionen Euro von den Konzernen Motorola, Alcatel und Telekom für sogenanntes Lobbying geflossen sein. Ob aber Ernst Strasser - womöglich auch über das Investmenthaus Vienna Capital Partners - finanziell profitiert hat, ist nicht erwiesen. Derzeit führt die Staatsanwaltschaft Strasser in der Tetron-Causa nicht als Beschuldigten, weil es dafür keinen ausreichenden Verdacht gebe. Strassers Anwalt war bisher übrigens nicht für eine Stellungnahme noch offenen Ermittlungen zu erreichen.

Medienprozess verschoben

Verschoben wurde der nächste Verhandlungstermin (16.8.) im Medienprozess, den  Strasser gegen die "Oberösterreichischen Nachrichten" (OÖN) angestrengt hat. Denn die britischen Journalisten, deren Video die Lobbying-Affäre rund um den Ex-Politiker ins Rollen brachte, wollen zum derzeitigen Zeitpunkt nicht als Zeugen aussagen. Als neuer Termin wurde jetzt der 16. Oktober ins Auge gefasst, teilte das Landesgericht Linz mit.

Strasser sah in zwei Artikeln der OÖN zu der Lobbying-Affäre die Delikte der Rufschädigung und üblen Nachrede erfüllt und klagte. Die Zeitung will den Wahrheitsbeweis antreten. Dazu wurden unter anderem zwei Enthüllungsjournalisten der britischen "Sunday Times" geladen. Sie sollen - als Lobbyisten getarnt - Strasser für die Bereitschaft, Gesetzesänderungen im EU-Parlament einzubringen, 100.000 Euro in Aussicht gestellt haben. Videos der Gespräche wurden veröffentlicht. Der 56-Jährige verteidigte sich damit, dass er einen Geheimdienst hinter den Journalisten vermutet habe und dafür Beweise sammeln wollte. (red, derStandard.at, 10.8.2012)