Stefan Kerl war bei der Besetzung im Audimax im April dabei, nun hat er eine Anzeige erhalten.

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Der Hörsaal wurde von der Polizei nicht ordnungsgemäß geräumt, sagt die ÖH.

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Aus Protest gegen die Abschaffung des Bachelorstudiums Internationale Entwicklung (IE) besetzten Studierende im April dieses Jahres das Rektorat und das Audimax der Universität Wien. Vier Monate später erhielten nun einige von ihnen eine Anzeige wegen Verwaltungsübertretung.

"Ich habe nur vom demokratischen Recht auf Protest- und Demonstrationsfreiheit Gebrauch gemacht, nicht die öffentliche Ordnung gestört", sagt Stefan Kerl, ehemaliger Politikwissenschafts- und internationale Entwicklungs-Student. Er war an der Besetzung im größten Hörsaal der Universität beteiligt.

Am 19. April besetzten Studierende zuerst das Rektorat der Uni. Nachdem dieses von der Polizei geräumt wurde, zogen sie am Nachmittag ins Audimax. Die Polizei sperrte daraufhin das Gebäude und räumte Stunden später auf Anordnung der Universitätsleitung auch den Hörsaal. (derStandard.at berichtete)

"Ihr seht's zu viel fern"

Stefan Kerl war bei der Besetzung dabei, "weil ich mich mit den Studierenden der IE solidarisieren wollte, sowohl als Ex-IE-Student, als auch weil ich jetzt in der Entwicklungspolitik arbeite und daher doppeltes Interesse am Weiterbestand des IE-Studiums habe".

Nach der Räumung wurden die Personalien von den Besetzern aufgenommen. "Es wurde allerdings dazugesagt - sowohl von den Polizisten, der Einsatzleitung als auch vom Pressesprecher der Bundespolizeidirektion Wien, Roman Hahslinger - dass niemandem etwas passiert, sondern die Daten nur zu routinemäßigen Dokumentationszwecken aufgenommen würden." Auf wiederholte Nachfrage, ob es tatsächlich nicht zu einer Anzeige kommen würde, sei den Protestierenden immer wieder gesagt worden: "Nein, ihr seht's zu viel fern".

"Ich werde nicht bezahlen"

Doch es kam anders: Die Studierenden, die das Rektorat am Vormittag des 19. April besetzt hatten, wurden laut der Bundespolizeidirektion Wien angezeigt, weil sie gegen das Versammlungsgesetz verstoßen hatten. Die Besetzer des Audimax wurden nach dem Sicherheitspolizeigesetz wegen Ordnungsstörung angezeigt. Der Strafrahmen beträgt in beiden Fällen rund 100 Euro, heißt es vonseiten der Polizei. Stefan Kerl hat bereits Einspruch hinsichtlich Begehung der Tat eingelegt. "Ich werde nicht bezahlen, sondern hoffentlich mit Hilfe der ÖH und KollegInnen für ein faires Verfahren und gegen Polizeirepression von politischen Kundgebungen kämpfen", sagt er.

Zehn Betroffene

Wie viele Studierende eine Anzeige erhalten haben, ist noch unklar. Die Österreichische Hochschülerschaft (ÖH) der Uni Wien weiß derzeit von ungefähr zehn Betroffenen. In den nächsten Wochen wolle man die Studierenden informieren, welche weiteren rechtlichen Schritte möglich sind, heißt es vom Vorsitzteam.

Die ÖH kritisiert, dass die Räumung nicht ordnungsgemäß angekündigt gewesen sei. Außerdem hätten die Studierenden nicht genug Zeit gehabt, um das Audimax freiwillig zu verlassen, da die Ausgänge von Polizisten verstellt gewesen seien. Das bestätigt auch Stefan Kerl: "Die Durchsage, dass jetzt alle gehen müssen, sonst wird geräumt, war nicht zu verstehen, und danach wurden keine fünf Minuten Zeit gelassen, sondern sofort gewaltsam geräumt. Außerdem war ein Verlassen des Audimax auch freiwillig nicht möglich, da die Ein- und Ausgänge bereits von Polizisten versperrt waren."

Polizei: "Genügend Zeit"

Diesen Vorwurf der ÖH kann man bei der Polizei nicht nachvollziehen. "Zwischen der Besetzung und der tatsächlichen Räumung gab es genügend Zeit, um das Audimax freiwillig zu verlassen", sagt eine Polizeisprecherin zu derStandard.at. "Es ist sicher nicht der Wunsch der Polizei, Leute, die freiwillig gehen wollen, nicht aus dem Saal zu lassen, um sie dann hinauszutragen." (Sarah Dyduch, derStandard.at, 13.8.2012)