Der Neubau der SoWi-Fakultät gilt als architektonische Öffnung. Der angrenzende Hofgarten wird durch die Glasfronten in die Räume geholt.

Foto: Henke Schreieck Architekten

Der dreizehnstöckige Pema-Turm in Innsbruck.

Foto: Henke Schreieck Architekten

Im Vergleich zu anderen Landeshauptstädten werde in Innsbruck sicher nicht mehr gebaut, jedoch qualitativ hochwertiger und sichtbarer, sagt der Architekt Dieter Henke. Er ist mit seiner Partnerin Marta Schreieck Planer des Neubaus der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät (SoWi) in der Universitätsstraße. Dieser gilt als Beginn einer architektonischen Öffnung der Tiroler Landeshauptstadt. Diese "Öffnung" habe aber auch mit der grundsätzlichen Vermarktungsstrategie der Stadt zu tun, erklärt Henke: "Innsbruck hat sich gegen die Vermarktungsstrategie der Tourismusbranche nicht für den Weltkulturerbestatus beworben."

Moderne trifft Geschichte

Und diese Entscheidung sei aus architektonischer Sicht durchaus richtig gewesen. Das bewiesen die vielen positiven Beispiele zeitgenössischer Architektur, die das historische Zentrum bereichern und beleben. Als städtebauliche Zäsur gilt aber der SoWi-Neubau.

Zwischen 1988 und 1999 wurde die Fakultät vom Gelände der Hauptuniversität in der Nähe der Klinik im Westen der Stadt in die Innenstadt verlegt. Schräg gegenüber der neuen SoWi und dem Gebäude des Management Center Innsbruck (MCI) mit zahlreichen Lokalen und Cafés befindet sich seit 1669 die Theologische Fakultät der Universität Innsbruck. Mit der Eröffnung der SoWi im Jahr 1999 entstand mitten in der Stadt ein attraktiver Campus - eine Symbiose des barocken Gebäudes der Theologie und des SoWi-Komplexes in den Materialien Glas, Stahl und Sichtbeton.

Vor dem Neubau der SoWi war der Stadtkern vom Grünraum des Hofgartens durch den Baublock einer alten Kaserne abgeschlossen. Der mittlerweile verstorbene Architekt Roland Rainer sprach bei der Eröffnung der SoWi gar vom "Fall der Barriere zwischen Stadt und Landschaft". Durch die großen Fensterwände werde die Landschaft quasi ins Gebäude geholt, sagte Rainer: "Die Riesenplastik der verschneiten Nordkette steht mitten in den Hörsälen und Büros, und aus dem Landschaftsrest des alten Parks ist ein historischer und moderner Stadtraum geworden."

Weitsichtige Stadtplanung

Doch nicht nur die Architekten zeichnen für den architektonischen Aufbruch verantwortlich, sondern auch Stadtplanung und Politik, die derartiges Bauen überhaupt möglich machen. Dieter Henke bezeichnet sowohl Planung als auch Politik als "weitsichtig". Die städtebaulichen Potenziale diverser Projekte, etwa der Rathauspassage, seien erkannt worden. So wurde das historische Rathaus 2002 vom französischen Architekten Dominique Perrault geplant und wesentlich erweitert.

In diesem Projekt befinden sich heute nicht nur die Zentralen von Stadtpolitik und Verwaltung, sondern auch zahlreiche Handels- und Dienstleistungsunternehmen, Lokale und das Hotel Penz.

"Es wurden Rahmenbedingungen geschaffen, um Eingriffe zu ermöglichen, die das weitere städtische Umfeld miteinbeziehen", sagt Henke. Für Erika Schmeissner-Schmid vom Amt für Stadtplanung hat dynamisches Bauen in Innsbruck einen ganz ursächlichen Grund: Er liegt in der "Unmöglichkeit der Stadt, sich auszudehnen". "Das muss raumplanerisch immer bedacht werden." Daher werde eben sehr viel umstrukturiert. Ein neuer Stadtteil wurde etwa auf dem Areal des alten Tivoli-Fußballstadions, in der Nähe der ehemaligen Fennerkaserne oder der alten Lodenfabrik errichtet. Das neue Ramada Hotel etwa ist Teil dieses Stadtteiles am Tivoli, quasi der letzte Baustein. Mit seiner Form setzt das Hotel gegenüber der Sportstätte Olympia World ebenfalls ein architektonisches Zeichen am Innsbrucker Südring.

Viele Bauwerke aus den 1950er- und 1960er-Jahren würden erneuert, erklärt Schmeissner-Schmid. Es ist in der Innenstadt viel entstanden in den letzten Jahren von den Rathaus-Galerien über das Kaufhaus Tyrol von David Chipperfield bis zur Neugestaltung der Maria-Theresien-Straße.

Das Areal öffnen

Die Stadt ähnlich verändern wie Ende der 1990er-Jahre der SoWi-Neubau dürfte der Pema-Turm neben dem Hauptbahnhof. Das Grundstück sei jahrzehntelang stark vernachlässigt worden, sagt Schmeissner-Schmid: Der Neubau des Turms, ebenfalls von Henke und Schreieck geplant, stelle eine Öffnung des Bahnhofsareals hin zur Museumstraße dar. Die Gebäudefigur werde durch einen leicht geknickten, den Straßenraum aufweitenden fünfgeschoßigen Sockelbau definiert.

Aus diesem entwickle sich an der Museumstraße der insgesamt 13-geschoßige Hotelturm. Die Höhe des Baus orientiere sich an den Höhen der umgebenden Gebäude. Durch das von der Kreuzung zurückversetzte Hotel werde ein großzügiger Platz mit Bäumen geschaffen. Städtebaulich sei Innsbruck auf dem richtigen Weg, findet Architekt Henke. Wünschenswert wäre aber, wenn sich die Peripherie ähnlich entwickle wie die Innenstadt.  (Verena Langegger, DER STANDARD, 11./12.8.2012)