Auf dem Donaukanal lässt sich Wien mit dem Kanu ganz neu entdecken.

Foto: Thomas Rottenberg

In Wien gibt es zurzeit rund 500 Kanuten.

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Vorsicht ist geboten: Das Tragflügelboot Twin City Liner weicht nicht aus - und bremst nicht.

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Je näher an der Wasseroberfläche, umso eindrucksvoller ist der Horizont.

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Zum Abschied hat Wolfgang Kremslehner eine Bitte: Natürlich, meint der einstige Staatsmeister im Wildwasserpaddeln, freue er sich, wenn sich mehr Leute in Kanus setzen. Olympia habe seinem Sport ja gerade Rückenwind gegeben. Und dass in Wien Flüsse, Bäche und stehende Gewässer grundsätzlich für jeden benutz-, also befahrbar seien, "ist prinzipiell super".

Dennoch, betont der Sportdirektor des österreichischen Kanuverbandes, wolle er warnen. Und "Ungeübten dringend davon abraten", im Donaukanal zu paddeln: Das Gewässer sei zwar harmlos - doch auf der Wasserstraße gilt (sinngemäß) der Vertrauensgrundsatz. "Der Kapitän des Twin-City-Liners (das Schnellboot nach Bratislava; Anm.) geht davon aus, dass wir wissen, dass die Berufsschifffahrt Vorrang hat." Auf Deutsch: Das Tragflügelboot weicht nicht aus - und bremst nicht. Mit der Welle, die da bei 60 km/h mitrauscht, muss man umgehen können: Da wird der Kanal plötzlich eng.

Abgesehen davon, schwärmt Kremslehner - an Land Teil einer Wiener Hoteldynastie -, eigne sich Wien "hervorragend" zum gemütlichen Paddeln: Aus der Beinahe-Entenperspektive wirkt die Ufer- und Stadtkulisse ganz anders als beim Joggen auf dem Treppelweg. Wie präzise Graffitis an die Wasserkante gesetzt sind, sieht man da, ebenso wie die Lichtreflexe an den Unterseiten der Brücken, erstmals genau. Von unten aus der Schaukelposition sind Zaha Hadids Haus, die Rossauer Kaserne und der Ringturm plötzlich mächtig. Fast bedrohlich und trotzdem schön. Von Tel-Aviv-Beach, Badeschiff, Urania-Bar oder Hermann-Strandbar wird herübergescherzt: Ob man Passagiere aufnehme.

Eindrucksvolle Mündung

Dabei sehen die Beiselsitzer das Spannendste nicht: Den Wechsel zwischen Verbaut-Urbanem und Natürlich-Grünem etwa; die urigen Bewohner der Fischerhäuschen im Prater. Oder den sich schlagartig weitenden Horizont, wenn der Kanal in die Donau mündet: Je näher an der Wasseroberfläche, umso eindrucksvoller.

Sogar die Rückfahrt in seinen Heimathafen, den Union Kanu Klub am Brigittenauer Sporn, sagt Kremslehner, wäre ohne "sportlichen" Kampf gegen die Strömung möglich: "Über die Donau, dann trägt man das Kajak über die Insel und paddelt die Rinne rauf. Beim Wasserskilift könnte man sogar noch mühelos zur alten Donau rüberhüpfen."

Leichter Transport

Der leichte Transport der Boote mache Kanus (Kremslehner: "Das ist der Sammelbegriff für alle Boote, bei denen man in Fahrtrichtung schaut.") flexibler als Ruderboote. Und somit auch zum gerade boomenden Freizeitspaß abseits des Leistungsports, erklärt Stefan Burghart von der deutschen Kajak-Manufaktur Prijon: "Mit knapp 1000 Euro für Boot, Paddel und Sicherheitsausrüstung ist man gut dabei", erklärt er, rät aber: "Zuerst schnuppern." Entweder bei Twin-City-Liner-frei geführten Touren durch die Donauauen - oder bei einem Verein.

Denn ohne Hintergedanken, gibt Wolfgang Kremslehner zu, rühre er die Kajak-Werbetrommel nicht: In Wien gibt es zurzeit rund 500 Kanuten. Eine künstliche Wildwasserslalomstrecke ist in Planung. Kanu-Polo (Wasserball im Kajak) mausert sich gerade zum Trendsport: "Aber je mehr wir sind, umso größer sind die Chancen, Talente zu finden." Vielleicht klappt es ja irgendwann wieder mit Olympiamedaillen. (Thomas Rottenberg, DER STANDARD, 11./12.8.2012)