Bukarest - Die Generalstaatsanwaltschaft hat am Freitag gegenüber dem Parlament einen Antrag auf Bewilligung der Ermittlungen gegen den ehemaligen delegierten Verwaltungsminister Victor Paul Dobre von den Nationalliberalen (PNL) gestellt. In Rumänien ist die Einleitung von Ermittlungen durch die Einwilligung der jeweiligen Parlamentskammer zwingend. Dobre, der am Montag zusammen mit seinem Vorgesetzten, dem sozialistischen Innenminister Ioan Rus (PSD) zurückgetreten war, wird Amtsmissbrauch vorgeworfen, weil er nach dem Referendum zur Absetzung des Präsidenten Traian Basescu am 29. Juli ein offizielles Schreiben unterzeichnet hatte, in dem es heißt, dass das Innenministerium nicht für die Wählerlisten, die beim Referendum verwendet worden waren, einstehen könne.

"Das Innenministerium kann nicht für die Korrektheit der Anzahl der Personen einstehen, die auf den permanenten Wählerlisten stehen", heißt es im Schreiben vom 2. August, obwohl dasselbe Ministerium erst einen Monat zuvor, im Vorfeld des Referendums, offiziell damit beauftragt worden war, die Listen mit den Wahlberechtigten zu bearbeiten und sie den Bürgermeistern zu übermitteln. Diese Listen mit knapp 18,3 Millionen Einträgen waren vom Innenministerium vom damaligen Innenminister Rus selbst öffentlich bestätigt worden. Aus dem Widerspruch geht laut Anklage hervor, dass Dobre seine Amtsbefugnisse wissentlich missbraucht habe.

"Aktualisierung"

Hintergrund ist der Streit um das Ergebnis des Referendums. Obwohl dies die erforderliche Mindestbeteiligungsquote von 50 Prozent verfehlt hat, vertagte der Verfassungsgerichtshof (VGH) eine Bestätigung der Ungültigkeit und damit die Rückkehr Basescus ins Amt, weil die regierende "Sozialliberale Union" (USL) aus Sozialdemokraten (PSD) und Nationalliberalen (PNL) Einspruch gegen die selbst erstellten Listen erhoben. Um doch noch das Quorum zu erreichen, wurde nachträglich eine "Aktualisierung" der Wählerlisten angeordnet - die USL ortete 1,7 Millionen Falscheinträge, meist Tote und Ausgewanderte. Als Minister hatte Rus noch eine "Mini-Volkszählung" improvisiert, bei der "der Bürgermeister und ein paar verlässliche Bürger von Tür zu Tür gehen" und zur Not "den Nachbarn" nach dem Status eines abwesenden Wahlberechtigten befragen sollten. Bei seiner Rücktrittserklärung sagte Rus hingegen, dass die ursprünglich angegebene Wähleranzahl trotz gegenteiliger Beteuerungen des Premiers Victor Ponta (PSD) korrekt gewesen sei und dass er "sich nicht an der Nichteinhaltung von Gesetzen beteiligen" könne. Im Vorfeld des Referendums hat die USL versucht, die Quorumsregelung komplett abzuschaffen, musste die Maßnahme aber infolge eines VGH-Urteils und massiven Drucks durch die EU wieder rückgängig machen.

Aus nun von mehreren Nachrichtenagenturen veröffentlichten Gesprächsaufzeichnungen geht hervor, dass Rus in einem Gespräch mit Dobre sogar gesagt hat, er wolle "seine alten Tage wirklich nicht im Gefängnis verbringen" und dass er mit seiner Unterschrift "keine einzige Person mehr oder weniger" bestätigen werde. Offenbar wurde seitens der USL auf Dobre und Rus zur nachträglichen Abänderung der Listen Druck ausgeübt. Wie aus einer Mitteilung des VGH hervorgeht, wäre dies illegal, da die letztmögliche Aktualisierung der Listen lange vor dem Urnengang, und zwar bis zu fünf Tage nach Ankündigung des Referendumstermins, hätte erfolgen sollen. "Woher sollen wir das Quorum erstellen", fragt Rus laut den Aufnahmen im Gespräch mit Dobre.

Auch Dobre selbst gibt auf den Aufnahmen konkrete Namen jener PNL-Größen an, die ihn "in Grund und Boden geredet" hätten. Andere wiederum hätten ihn aufgefordert, "aus dieser Gruppe organisierter Verbrecher zu flüchten". (APA, 10.8.2012)