Frankfurt/Wien - Die Europäische Zentralbank (EZB) hat weiter mit einem gespaltenen Geldmarkt in Europa zu kämpfen. Vor fünf Jahren musste die EZB erstmals intervenieren. Am 9. August 2007 sah sich die französische Bank BNP Paribas genötigt, drei Fonds zu schließen, weil die Wertpapiere, die sie hielten, in wenigen Tagen über 20 Prozent an Wert eingebüßt hatten. Investoren hatten in Scharen die Geldmärkte verlassen, die Finanzierungslinien für Banken froren ein. Die EZB musste Milliarden in den Markt pumpen.

In Europa ist der Geldmarkt für viele Finanzakteure auch heute geschlossen. "Die europäischen Finanzmärkte bleiben stark fragmentiert", warnt die EZB in einem aktuellen Papier zu "Indikatoren der Marktsegmentierung". Wegen der Sorge um die Staatsanleihen werden immer weniger grenzüberschreitende Geschäfte abgewickelt. Deutsche Banken borgen spanischen oder italienischen Instituten kaum mehr Geld.

Weniger grenzüberschreitende Forderungen

Daten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich zeigen das Ausmaß: Demnach sind die grenzüberschreitenden Forderungen europäischer Geldhäuser an Länder wie Spanien oder Italien seit 2008 um die Hälfte gefallen.

Die jüngsten Geldspritzen der EZB haben dieses Problem nicht behoben, sondern sogar verschärft. Zum Jahreswechsel hatte die Zentralbank den europäischen Banken 1018 Mrd. Euro geliehen. Der Nebeneffekt: Spanische Banken haben mit dem Geld Staatsanleihen aus Madrid gekauft. Aktuell halten die Geldinstitute in Spanien zu 70 Prozent heimische Papiere, 2009 waren es noch 55 Prozent. Damit ist das Risiko einer " Balkanisierung" des europäischen Bankensystems weiter gestiegen, warnen Morgan-Stanley-Analysten.

Deshalb hinterlegen die Banken immer stärker Sicherheiten aus ihrem Heimatland, wenn sie sich Liquidität von der EZB holen (siehe Grafik). 2008 nutzten die Institute noch mehr als die Hälfte grenzüberschreitende Wertpapiere, heute ist es knapp ein Fünftel.

Fragmentierung kostet

Die Fragmentierung der Geldmärkte macht die Geldpolitik der EZB weniger effektiv, warnte zuletzt der Internationale Währungsfonds. Auch die EZB-Ökonomen geben zu: "Seit 2010 steigen die Kreditzinsen, auch wenn die Leitzinsen niedrig bleiben." Die Geldpolitik versucht die Wirtschaft zu stimulieren, indem sie die Leitzinsen senkt, zu denen sich Banken bei ihr Geld leihen können. Doch die Politik des billigen Geldes kommt nicht an. In Spanien etwa sind die Zinsen für kurzfristige Unternehmenskredite über eine Million Euro auf über fünf Prozent gestiegen, in Frankreich oder Deutschland liegen sie bei unter 3,5 Prozent. Der Chefökonom der britischen Bank HSBC, Stephen Green, warnt daher in einem Kommentar für die Financial Times, dass "die EZB die Kontrolle über die monetäre Lage in der Eurozone verloren hat".

Aktuell arbeitet die EZB an einem neuen Plan, um Staatsanleihen von Ländern wie Spanien oder Italien zu kaufen. Das hat EZB-Chef Mario Draghi nach der jüngsten Zinssitzung des EZB-Rats angekündigt. Die Hoffnung der Währungshüter in Frankfurt: mit Staatsanleihenkäufen könnten auch die geteilten Geldmärkte in Europa repariert werden. Denn die Zinsen für Banken und Unternehmen hängen stark von jenen auf Staatsanleihen ab.(Lukas Sustala, DER STANDARD; 11.8.2012)