Moskau - Vier Jahre ist der Fünftagekrieg zwischen Russland und Georgien um die Kaukasus-Regionen Südossetien und Abchasien her. Nun wird der Krieg erneut geführt - innerhalb der russischen Staatsspitze. Dort ist ein Streit darüber entbrannt, wer sich den militärischen Erfolg der Russen anrechnen darf: der damalige Präsident Dmitri Medwedew oder Russlands "nationaler Führer" Wladimir Putin.

Formal hatte Medwedew, damals gerade 100 Tage im Amt, den Oberbefehl über die russischen Streitkräfte. Doch nun beschuldigen ihn führende russische Generäle, darunter der einstige Generalstabschef Juri Balujewski, im entscheidenden Moment gekniffen zu haben. Medwedew habe so lange gezögert, "bis es einen Tritt in den Allerwertesten" von Putin aus Peking (dort begannen gerade die Olympischen Spiele) gegeben habe, sagte Balujewski in dem per Internet verbreiteten Video Verlorener Tag. Diese "Feigheit" hätte viele Zivilisten das Leben gekostet, so die These des Films, der die angebliche Zögerlichkeit Medwedews der Putin'schen Entschlossenheit entgegensetzt.

Anonymer Film

Angaben dazu, wer hinter dem Video steht, gibt es nicht. Im Abspann heißt es, es sei im "Alfa-Studio" in Twer im Jahr 2013 gedreht worden. Das "Filmchen aus der Zukunft" dürfte aber ganz aktuell und wohl auf Anweisung von höchster Stelle gedreht worden sein. In Moskau und Tiflis hat es bereits für heftige Aufregung gesorgt. In Georgien, weil nun bekanntwurde, dass bereits seit Jahren in Russland ein Plan für eine kriegerische Auseinandersetzung in der Schublade lag. In Russland, weil sich plötzlich Medwedew unter Rechtfertigungsdruck sieht.

Der Premier reagierte bereits und dementierte den Vorwurf der Generäle, unentschlossen gewesen zu sein. Er habe den Einsatzbefehl ohne Aufforderung Putins gegeben. Ein Telefonat mit diesem habe erst später stattgefunden.

Putin hingegen widerspricht; es habe zwei Telefonate gegeben - eins davon vor Medwedews Entscheidung. Das Detail ist für die Geschichtsschreiber in Russland wichtig - schließlich kann nur einer als " Kriegsheld" in die Historie eingehen. Derzeit läuft alles darauf hinaus, dass dieser "Held" Putin ist. Die Zeit des Tandems ist eben vorbei im Kreml. (ab, DER STANDARD, 11./12.8.2012)