"Auf der Straße nach Cuito Cuanavale III" (2009) heißt dieses Bild, das auf dem Weg zu jenem Ort entstand, an dem der seit dem Ersten Weltkrieg längste Kampf auf afrikanischem Boden ausgefochten wurde.

Foto: Jo Ractliffe

Salzburg - Es waren nicht die von Kugeln durchlöcherten Gebäude und auch nicht die alten, vor sich hin rostenden Panzer im Straßengraben. Es war nicht das Offensichtliche, das Fotografin Jo Ractliffe auf ihrer Reise durch das Hinterland von Angola, zu den Hauptschauplätzen des vergangenen Krieges, am meisten berührte. "Es waren die unsichtbaren Spuren, wie absolut stille Wälder. Und die Minen ...", sagt die südafrikanische Fotografin im Standard-Gespräch. Unbestellte Kornfelder, verkohlte Bäume, struppige Wälder, die Überreste von Schützengräben und die von kleinen Kieselsteinen gesäumten Wege und Hubschrauberlandeplätze: entsprechend unspektakulär, aber auf befremdliche Art auch berührend, sind Jo Ractliffes Bilder.

"As Terras do Fim do Mundo" ("Land am Ende der Welt") nannten die portugiesischen Kolonialherren das Landesinnere Angolas, in das sie jahrhundertelang kaum vordrangen. Ein Name, den Ractliffe, die heuer zum zweiten Mal an der Salzburger Sommerakademie unterrichtete, für ihre Fotoserie wählte. Eine Auswahl davon wird aktuell im Fotohof präsentiert und bildet nun mit der Ausstellung Yonamine. No Pain im Kunstverein einen - allerdings zufälligen - Angola-Schwerpunkt.

"Manchmal bin ich mir nicht einmal sicher, was es ist, das ich gerade betrachte. Hier habe ich keine Sprache. Es ist schwer, die Zeichen zu lesen", schrieb Ractliffe in einer Art Reisetagebuch nieder, das im preisgekrönten Fotobuch zum Projekt erschien: Darin begegnet sie dieser Sprachlosigkeit gegenüber dem unbekannten Gelände und seiner mysteriösen Geschichte mit präzisen Beschreibungen. Sie erwähnt auch den populärsten Schönheitswettbewerb des Landes, den "Miss Landmine Survivor". Die Gewinnerin erhält eine Prothese.

Ihr Interesse habe sehr viel mit der Verstrickung von Südafrika zu tun: Denn die Armee ihrer Heimat war nicht nur in den Bürgerkrieg verstrickt, sie focht auch den Krieg mit der Swapo auf dem Territorium Angolas aus (Südafrika hielt Namibia seit 1915 besetzt; 1966 begann der kämpferische Konflikt). "Es wird hier nicht viel darüber gesprochen. Zu jener Zeit war es ein geheimer Krieg", sagt Ractliffe, die in Johannesburg lebt. " Daher gibt es noch immer viele Fragen darüber, was Südafrika dort getan hat und warum."

Insgesamt dreimal reiste die 51-jährige Künstlerin binnen zweier Jahre in die zentralen und südlichen Provinzen, die für Südafrika nie mehr waren als ein abstrakter Ort, nie mehr als Kriegsarenen. Sie folgte, begleitet von ehemaligen Soldaten, die oft zum ersten Mal wieder an die Schauplätze der Gewalt zurückkehrten, insbesondere den Routen der südafrikanischen Armee.

Nicht nur die Leute sind von dort in die Hauptstadt Luanda abgewandert, auch Tiere leben hier keine mehr - wurden von diversen Armeen erlegt oder Wilddieben gefangen. "Ich musste die Landschaft dort jenseits des ersten unmittelbaren Eindrucks kennenlernen." Denn Fotografie sei mehr als nur das einfache Aufzeichnen von Gesehenem. "Man muss unter die Oberfläche geraten. Für dieses tiefere Verständnis muss man Zeit aufbringen." Bei jeder Rückkehr nach Angola sah Ractliffe mehr. "Man betrachtet die Dinge auch unterschiedlich."

Ein dokumentarischer, aber vor allem expressiver Foto-Essay darüber, wie sich die Gewalt forensisch und symbolisch in die Landschaft gräbt.   (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 11./12..8.2012)