Salzburg - Angesichts der Korruptionsfälle in Wien und Kärnten zeigte sich Salzburgs Bürgermeister Heinz Schaden (SPÖ) sprachlos. "Offensichtlich meinen Leute, sich qua Funktion Dinge herausnehmen zu können, die nicht statthaft sind. Früher hat man sie Parvenüs genannt, die irgendwie empor kommen und dann die Lust entdecken, sich an Geldern zu bedienen. Du brauchst in der Politik ein gerüttelt Maß an Moral. Was mich wirklich ärgert ist, dass es auch die Sozialdemokratie immer wieder einmal betrifft. Und was die FPÖ angeht, da kann man nur mehr wütend sein, dass die so als Sauberleute aufgetreten sind und jetzt eigentlich die ärgsten sind, das ist ein Saustall." Die Vorfälle hätten der Politik insgesamt geschadet, "das ganze Establishment ist betroffen. Die Politik ist wirklich in Verruf geraten, und das ist schade."

Kein Nachwuchs

Auf die Frage, wie die Politik wieder aus dieser Krise finden könnte, sagte Schaden: "Das Personal wird nicht besser, fürchte ich. Wenn ich mir so den Nachwuchs anschau, boah! Ich bemühe mich auch schon lange, dass ich in der Stadt neue Leute an diese Aufgabe heranführe. Das ist ganz schwierig. Die Politik ist (bei der Nachwuchs-Suche, Anm.) manchmal wie ein Rubbellos: Es macht ratsch, ratsch, ratsch, und plötzlich kommt ganz was anderes raus, als man gemeint hat." Die Probleme gebe es auf allen politischen Ebenen. Im Land Salzburg etwa wäre die SPÖ ohne Gabi Burgstaller "eine Baustelle", "und was wäre die ÖVP ohne Wilfried Haslauer? Das meine ich nicht böse, das ist der Befund".

Faymann-Regierung zu "reaktiv"

Die Arbeit der Faymann-Regierung ist für den Bürgermeister "nach wie vor zu reaktiv und zu wenig aktiv. Man hat immer wieder das Gefühl, sie ist ein bisschen getrieben". Schaden erneuerte in diesem Zusammenhang seine Kritik, dass ab September die Steuerbegünstigung für Bauprojekte kommunaler Immobilien-Gesellschaften wegfallen wird. "Dass wir etwa für Schulbauten 20 Prozent Steuern an den Bund abliefern müssen, ist für das Bundesbudget ein Tropfen auf dem heißen Stein, aber uns tut das wahnsinnig weh." Viele Städte und Gemeinden hätten flächendeckend Resolutionen dagegen verabschiedet, "aber die Regierung hat nicht einmal mit einem Ohrwaschel gewackelt".

Finanzausgeleich als "Restl-Essen"

Dass diese Besteuerung im Zuge des Finanzausgleiches wieder wegverhandelt werden kann, glaubt Schaden, der seit dem Jahr 2000 Verhandler für den Städtebund ist, nicht: "Der Finanzausgleich wird im Wesentlichen zwischen Bund und Ländern vorverhandelt und vereinbart, und dann erst kommen die Gemeinden. Das ist wie ein Restl-Essen." Weiters kritisierte Schaden das Kürzen der Bundesförderungen: "Je weiter weg die Bundespolitik ist, umso weniger Rücksicht nimmt sie, das gilt für die Kultur, und in der Verkehrspolitik ist es ganz schlimm, da sind die Bundeszuwendungen im freien Fall. Das tut den Gemeinden natürlich sehr weh. Und auch den Ländern, dass die jetzt für die ÖBB zahlen müssen."

Für Umweltzone in Salzburg

Für die dauerhafte Verkehrsberuhigung der Salzburger Innenstadt aus, schwebt Schaden eine Umweltzone nach Münchener Vorbild vor. Dort sind nur mehr schadstoffarme Kraftfahrzeuge erlaubt. In einem ersten Schritt soll bis zum nächsten Sommer erst einmal der Durchzugsverkehr in der Altstadt reduziert werden, zum Beispiel mit Einbahnregelungen.  Im Herbst beginnt der Diskussionsprozess für eine dauerhafte Verkehrslösung in der Stadt, die mehrere Jahre halten soll. Ähnlich wie bei der Grünlanddeklaration oder der direkten Demokratie würden jetzt einmal Ideen produziert, über die dann in einer nicht zu großen Runde verhandelt werde, skizzierte Schaden die Vorgangsweise. "Wenn wir nicht auf einen Konsens kommen, gibt es im nächsten Jahr wieder die Mittagsregelung."

Verantwortung an Staat delegiert

Generell stellt Schaden fest, "dass wir zunehmend in ein soziales Klima hineinwachsen, wo Verantwortung an den Staat - auch an die Stadt - delegiert wird. Ich merke, dass die Eigenverantwortlichkeit abnimmt, und die Tendenz zunimmt: 'Ihr seid verantwortlich und müsst dafür sorgen, dass die Gesellschaft funktioniert.' Das ist ein totales Missverständnis der Sozialdemokratie, auch wenn es bei uns die Tendenz dazu sehr stark gibt. Aber das Urverständnis der Sozialdemokratie war eigentlich, den Menschen zu emanzipieren, oder die, die es nicht sind: die Arbeiterklasse, wie es damals genannt wurde, zu emanzipieren, selbstständig zu machen. Aber nicht, Verantwortung für sie zu übernehmen. Immer wieder wird gemeint, wenn man nur Geld einsetzt, löst man die Probleme. Aber jetzt wissen wir, das Geld enden wollend ist und die Probleme nicht gelöst werden."

Unklar, ob Schaden noch einmal Antritt

Ob der 58-jährige Heinz Schaden nochmals bei der Bürgermeisterwahl 2014 für eine vierte Amtsperiode antritt, ließ er offen. Eines betonte er jedoch mit aller Deutlichkeit: Wenn er einmal aus dem Amt scheidet, zieht er sich ganz aus der Politik zurück. Er hegt auch keine Ambitionen auf Posten wie den eines Festspielpräsidenten. Der Stadtchef hat schon neue Zukunftshoffnungen im Visier: Gemeinderat Wolfgang Gallei - "ein ruhiger, überlegter Kopf, der arbeiten kann" - und eine Frau. Sie ist in der Politik nicht ganz neu, ihren Namen wollte Schaden noch nicht nennen. (APA, 12.8.2012)