Drei Sichelmonde zusammen mit dem Wolf auf dieser Fahne die "Grauen Wölfe". Hier zu sehen bei einer Anti-PKK-Demonstration in Wien im Jahr 2011.

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Sie strecken ihren rechten Arm hoch und formen mit ihrer Hand ein Grußzeichen, das einen Wolf symbolisieren soll. Sie tragen Halsketten, Stirnbänder oder T-Shirts mit drei Sichelmonden und einem heulenden Wolf. Gemeint sind Anhänger der "Grauen Wölfe", auf Türkisch Bozkurtlar, benannt nach dem grauen Wolf, der der Legende nach im 8. Jahrhundert die türkischen Stämme vor der chinesischen Unterjochung rettete, indem er sie ins mythische Ergenekon-Tal nach Zentralasien geführt hat. Aber diese Wolfsfigur steht nicht nur für den Ursprungsmythos der nomadischen Turkstämme, sondern auch für die ultranationalistische und rechtsextreme türkische Partei der nationalen Bewegung (MHP, Milliyetçi Hareket Partisi).

Starker Zulauf bei Jugendlichen

Der Wolfsgruß wird auch hierzulande immer öfter bei Demonstrationen, Konzerten oder Festen von Jugendlichen mit türkischem Migrationshintergrund verwendet. Für Christian Schörkhuber, Geschäftsführer bei der Volkshilfe Oberösterreich und Mitherausgeber des Anfang Juli erschienenen Sachbuchs "Grauer Wolf im Schafspelz", ist der Wolfsgruß unter vielen türkischstämmigen Jugendlichen mittlerweile ein Symbol für die Türkei geworden, ohne dass sich diese der dahinter steckenden Ideologie bewusst seien. "Viele Jugendliche, die mit dem Wolfsketterl herumlaufen, haben eigentlich sehr wenig Wissen darüber, dass dahinter eine faschistische Bewegung steht. Mir geht es darum, dass man dieses Thema sachlich aufarbeitet und den türkischen Jugendlichen bewusst wird, was hinter den Symbolen der Grauen Wölfe steckt".

Faschistische Ideologie

Was hinter den drei Halbmonden und dem heulenden Wolf steckt, wird im von der Volkshilfe Oberösterreich herausgegebenem Buch, an dem neben Schörkhuber auch der österreichische Politologe Thomas Schmidinger und der deutsche Soziologe Kemal Bozay mitgeschrieben haben, gut dokumentiert. Angefangen von den historischen Wurzeln des Faschismus in der Türkei bis zur Gründung der MHP im Jahre 1969 unter ihrem "Führer" Alparslan Türkeş, der die rechtsextremistische und völkische Ausrichtung des "idealistischen Nationalismus" (auf Türkisch: ülküclük) der MHP vorantrieb, und den politischen Aktivitäten der "Grauen Wölfe" in Deutschland und Österreich.

Detailliert wird über den Einfluss der neofaschistischen Bewegungen in den Jahren der türkischen Militärputsche und die Folgen des "idealistischen Nationalismus" berichtet. So erfährt der Leser, dass die "Grauen Wölfe" Ende der 1960er Jahre als "paramilitärischer Schlägertrupp" der MHP aufgebaut wurden und bis in die 1980er für zahlreiche politische Morde, Terrorakte und Massaker verantwortlich waren. Ziele des rechtsextremen Terrors der türkischen Faschisten waren linke oder linksliberale Gruppierungen, hier insbesondere Studenten, Intellektuelle und Gewerkschafter, sowie religiöse und ethnische Minderheiten.

Getarnt als Sport- und Kulturvereine

Auch heute noch sind die "Grauen Wölfe" ultranationalistisch ausgerichtet. Stimmungsmache gegen ethnische und religiöse Minderheiten, vorzugsweise gegen Armenier, Aleviten, Juden und Kurden werden dabei nicht nur in der Türkei forciert. Christian Schörkhuber widmet sich in seinen Beiträgen über den Rechtsextremismus in der Einwanderungsgesellschaft den politischen Aktivitäten der "Grauen Wölfe" in Deutschland und Österreich, wo sie unter dem Deckmantel von Sport-, Bildungs- oder Kulturvereinen weiterhin politische Hasspropaganda betreiben und sich vermehrt über das Internet vernetzen.

In Österreich gibt es einerseits die ATF (Avustruya Türk Federasyonu, auf Deutsch: Österreichisch Türkische Föderation), die als Dachverband der MHP-Vereine fungiert und der zahlreiche Mitgliedsvereine von Wien bis Vorarlberg angehören. Daneben gibt es auch die kleinere Avusturya Nizam-ı Alem Federasyonu, die die türkische BBP-Partei (Partei der großen Einheit, Türkisch: Büyük Birlik Partisi) repräsentiert, welche sich 1993 von der MHP abgespaltet hat und neben dem militanten Nationalismus auch noch islamistisch ausgerichtet ist.

Islam und Ultranationalismus

Die BBP verwendet dieselbe ultranationalistische Symbolik der drei Halbmonde und des heulenden Wolfs, allerdings auf grünem Hintergrund, der die islamische Ausrichtung und die Stärke des früheren Osmanischen Reichs hervorheben soll. Allerdings ist das Konzept der "Türkisch-Islamischen Synthese", eine Kombination aus türkisch-nationalistischer Ideologie mit islamischen Elementen, seit den 1990ern auch für die MHP zu einem wichtigen Faktor in der Parteipropaganda geworden.

Den Einfluss der "Grauen Wölfe" auf die Islamische Glaubensgemeinschaft schätzt Schörkhuber als gering ein, obwohl einer ihrer Anhänger mit einem Mandat in der IGGiÖ vertreten ist. "Was von den Grauen Wölfen versucht wird, ist bei den anderen türkischen Vereinen und Moscheen ein Solidaritätsgefühl zu erreichen", berichtet er. Mit der islamischen Glaubensgemeinschaft in Oberösterreich verläuft die Zusammenarbeit laut Schörkhuber in punkto antifaschistischer Aufklärungsarbeit gut. "Wir haben eine sehr aktive antifaschistische Bewegung in Oberösterreich, wo auch Migrantenvereine eingebunden sind und zeigen in Gesprächen vor Ort auf, dass es sich bei den "Grauen Wölfen" um eine rechtsextreme Organisation handelt", so Schörkhuber.

Der Wolfsgruß und die österreichischen Politiker

Bei den heimischen Politikern besteht allerdings noch Bedarf an Aufklärungsarbeit. "Die Politik geht äußerst unsensibel mit dem Thema um. Da kommt vor, dass der Landeshauptmann (Josef Pühringer, VP-Landeshauptmann in Oberösterreich, Anm. d. Red.) zu einem Fußballturnier erscheint und links und rechts stehen die Jugendlichen mit dem Wolfsgruß und der Landeshauptmann lächelt dazu weil er nicht einmal weiß, dass das ein rechtsextremes Zeichen ist", kritisiert Schörkhuber. Auf den Besuch von Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz vor zwei Wochen in Braunau ist Schörkhuber auch nicht gut zu sprechen, denn dieser habe sich dort mit Vertretern der "Grauen Wölfe" getroffen, "ohne dass er sich was denkt dabei", so Schörkhuber.

Die SPÖ Oberösterreich kommt in seinem Buchbeitrag über die "Grauen Wölfe" in Österreich ebenfalls nicht gut weg. So sitzt im vom Linzer SPÖ-Bürgermeister bestellten Ausländerintegrationsbeirat offiziell ein Vertreter des Kulturvereins "Avrasya", der als Vorfeldorganisation der MHP in Österreich gilt. Kritik übt Schörkhuber auch am Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), denn im aktuellen Verfassungsschutzbericht wird über die über die Aktivitäten der Grauen Wölfe nicht berichtet. "Es werden eher die religiös-islamischen Vereine unter die Lupe genommen, und nicht die Rechtsradikalen."

Das Fazit der Autoren beinhaltet daher konkrete Vorschläge an die politischen Akteure in Österreich, um der Ausbreitung rechtsextremer Ideologien und der Verharmlosung der politischen Aktivitäten der "Grauen Wölfe" in Österreich entgegenzuwirken. Nahe liegend ist die Aufforderung, die Förderung von Vereinen, die der MHP oder BBP nahe stehen, zu streichen und die Empfehlung an den Verfassungsschutz die Aktivitäten der "Grauen Wölfe" wieder unter die Lupe zu nehmen. Sehr interessant ist die Forderung, Nachhilfe- und Sprachkursangebote besser durch die öffentliche Hand abzudecken, "um diese nicht den Vereinen zu überlassen", und besonders notwendig ist der Vorschlag antirassistisch ausgerichtete Präventions- und Interventionsansätze in der Jugend- und Migrationsarbeit zu fördern.

Bei oberösterreichischen Lokalpolitikern stößt das Sachbuch über die Ideologie und die Aktivitäten der "Grauen Wölfe" in Österreich bereits auf reges Interesse. "Bei den Bürgermeistern der betroffenen Gemeinden und Städte gibt es großes Interesse an dem Buch. Die nehmen Migranten auch nicht als reine Wählerschicht wahr, egal wie sie politisch stehen, sondern auch als politische Menschen mit politischer Ideologie", erzählt Schörkhuber. Allerhöchste Zeit also, dass sich auch die heimischen Bundespolitiker das Buch zu Gemüte führen und in Zukunft mehr darauf achten, bei wem sie auf Stimmenfang gehen. (Güler Alkan, 13.8.2012, daStandard.at)