Berlin - Im Koalitionsstreit über die steuerliche Gleichstellung homosexueller LebenspartnerInnen beim Ehegatten-Splitting in Deutschland widersetzt sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) der Forderung des Koalitionspartners FDP nach einer raschen Lösung. Die Kanzlerin halte es für vernünftig, erst auf der Basis eines Urteils des Bundesverfassungsgericht zu handeln, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Mit einem Urteil aus Karlsruhe wird erst 2013 gerechnet.

Eine Sprecherin von Vize-Kanzler und FDP-Chef Phillip Rösler bekräftige dagegen die Forderung der FDP, homosexuelle Paare jetzt schon bei der Einkommensteuer mit heterosexuellen Eheleuten gleichzustellen.

Damit stellte sich Merkel an die Seite von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der ebenfalls dafür plädiert hatte, auf den Spruch des höchsten deutschen Gerichts zu warten. CSU-Chef Horst Seehofer hat eine Gleichstellung sogar prinzipiell abgelehnt. Dagegen haben die FDP-MinisterInnen in der Bundesregierung zum schnellen Handeln gemahnt. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) schrieb in einem Brief an Schäuble, die Politik sollte jetzt Handlungsfähigkeit demonstrieren, anstatt erst durch eine Niederlage vor dem Verfassungsgericht gezwungen zu werden.

FDP: "Kann nicht bis 2013 warten"

Seibert sagte, es gebe keinen Dissens im Kabinett in der Frage, dass die Benachteiligung von LebenspartnerInnen abgebaut werden solle. Die Regierung habe dies bei der Erbschaft- und bei der Grunderwerbsteuer bereits umgesetzt. Das Ehegatten-Splitting sei aber ein Spezialfall, bei dem auch die Rechtsmeinungen auseinandergingen. Deshalb sei es besser, auf die RichterInnen zu warten. Bei früheren Steuersachen hatte das Verfassungsgericht zugunsten von schwulen und lesbischen Paaren geurteilt.

Eine Sprecherin Röslers sagte, die früheren Urteile seien starke Indizien für das zu erwartende Urteil beim Ehegatten-Splitting. Das Thema müsse jetzt politisch geklärt werden: "Das kann nicht bis 2013 warten." Seibert sagte, Gespräche könnten in der Koalition immer stattfinden.

In einer Aussendung des Lesben- und Schwulenverbands Deutschland (LSVD) wird die, die "Kanzlerin als mutlos" bezeichnet. "Sie will sich lieber vom Bundesverfassungsgericht sagen lassen, was zu tun ist", schreibt der Sprecher des LSVD, Axel Hochrein. Die Äußerungen der Kanzlerin seien enttäuschend, die Kanzlerin verweigere es Position zu beziehen, heißt es.

Opposition fordert Individualisierung

Die SPD hat eine Reform des Ehegatten-Splittings ins Auge gefasst. Ziel soll eine Individualbesteuerung sein. Die im Grundgesetz vorgeschriebene Unterhaltsverpflichtung und bestehende Ehen sollen geschützt bleiben. Dies hat auch die Bundestagsfraktion in ihrem Zwischenbericht zum "Projekt Zukunft" festgehalten: "Wir wollen das Ehegatten-Splitting für zukünftige Ehen zu einer Individualbesteuerung mit Unterhaltsabzug umgestalten."

Auf dem Zukunftskongress der SPD-Fraktion Mitte September soll dies bekräftigt werden. Die Forderung dürfte sich dann im Regierungsprogramm der SPD für die Bundestagswahl 2013 wiederfinden. Da die Sozialdemokraten derzeit im Bundestag dafür keine Mehrheit sehen, wollen sie zunächst den Schritt gehen, das Ehegatten-Splitting auf homosexuelle Lebensgemeinschaften auszuweiten. Die Reform soll dann später kommen. Die Linke will das Splitting ebenfalls abschaffen und eine Individualbesteuerung einführen. (APA, red, 13.8.2012)