Mödling - Warm anziehen heißt es für die Besucher des Theaters im Bunker. Der Luftschutzstollen Mödling sorgt schon allein durch sein Raumklima dafür, dass den Besuchern dieser Sommerdependance des Theaters zum Fürchten die Haare zu Berge stehen. Seit 1999 nutzen Intendant Bruno Max und seine Kompanie die im Zweiten Weltkrieg von Zwangsarbeitern gegrabenen Röhren als Spielstätte, wobei heuer mit Verräterisches Herz erstmals keine Neuinszenierung, sondern eine Wiederaufnahme aus dem Vorjahr auf dem Programm steht. Die dem Werk Edgar Allen Poes gewidmete Aufführung ist jedoch derart gelungen, dass diese Wiederholung durchaus zu begrüßen ist.

Gruppenweise werden die Besucher ins Innere des Stollens geleitet, wo in mehreren Stationen Schlaglichter auf das Schaffen des Nachtschattenschreibers Poe geworfen werden. Als Führer fungieren zumeist ein stummer, an einen Pestarzt erinnernder Rabe mit Ziehharmonika oder aber der Dichter selbst. "Oh, what a fantasy I have!" , ruft er immer wieder hervor, um die Zuseher sogleich noch tiefer in die Gänge seine Gedankenwelt zu locken.

Das größte Gewicht legt Max, der neben der Gestaltung des Untergrundspektakels auch eine kleine Rolle übernimmt, auf die Kurzgeschichte Der Untergang des Hauses Usher. Diese wird in über die gesamte achtzigminütige Spieldauer verteilten Einzelszenen dargeboten. So kommt es, dass einige Darsteller mit der ihnen zugeteilten Zusehergruppe unbemerkt mitwandern und ein in Summe fünfzigköpfiges Schauspielensemble die Gänge parallel bespielt. Die meisten Akteure sind gruftgerecht mit ordentlich Gesichtsbleiche und Augenringen versehen (Maske: Vera Priburk), die stilechte Kostümierung der Schwindsüchtigen, Irren und Meuchelmörder sorgt für zusätzliches Geisterbahn-Flair im so stimmungs- wie effektvoll ausgestatteten Stollen (Kostüm: Alexandra Fitzinger, Raum: Marcus Ganser). Hier lernt man auch, dass Poe bereits im Kleinkindalter einen ansehnlichen Schnurrbart trug.

Manche Geschichten werden zur Gänze erzählt, andere nur als kleiner Scherz am Rande angerissen. Das Tempo bleibt dabei hoch, der Zuschauertross beständig in Bewegung. Kleinere Vorkenntnisse sind da hilfreich, jedoch nicht zwingend notwendig, liegt ein Ziel der Aufführung doch auch darin, Interesse für das Gesamtwerk des Autors zu wecken. Und das gelingt der im wahrsten Sinne des Wortes fantastischen Inszenierung zweifelsohne. (Dorian Waller, DER STANDARD, 14./15.9.2012)