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Foto: Kärnten Werbung - Zupanc

Es ist keine liebliche Landschaft, die sich in diesem südlichsten Zipfel Österreichs auftut. Auch das Attribut "wildromatisch" würde den Gräben und Anhöhen rund um Bad Eisenkappel / Zelezna Kapla nicht gerecht werden. Vielmehr ist der im Abseits gelegene, von Holzwirtschaft und Tourismus geprägte Kulturraum rau und verwachsen.

An den Karawanken, entlang der Periadriatischen Naht, trifft die Afrikanische auf die Eurasische Platte, wobei sich Letztere sukzessive unter das vom Süden heraufdriftende Afrika schiebt. "Die Urangst der Kärntner liegt möglicherweise darin begründet, dass man langsam unter Afrika zu verschwinden droht", versucht Zdravko Haderlap das Phänomen der kärntnerischen Slawophobie anhand tektonischer Gegebenheiten auf den Punkt zu bringen.

"Das Leben in der Abgeschiedenheit hat das Entstehen einer Selbstversorgergesellschaft und einer eigenen Mentalität begünstigt", meint Haderlap, der seit mittlerweile zwei Jahrzehnten als Tanztheateraktivist von sich reden macht. Heute lebt und arbeitet er auf dem Vinklhof, der seit vier Generationen in Familienbesitz ist. "Die Leute im Lepenagraben sind wie die Zwetschken - widerständig und fruchtig!"

Der Hof liegt im wahrsten Sinne des Wortes "im Winkel". Drei Bäche treffen dort aufeinander, wodurch sich der Lepenagraben in zwei kleinere Gräben teilt. Als Land- und Forstwirt ist Haderlap auf eine traditionelle Bewirtschaftung bedacht. In den vergangenen Jahren hat er sich als Kulturvermittler etabliert und seinen Hof zu einem offenen, "konventionslosen Raum" umgestaltet: Während der Sommermonate finden hier unterschiedlichste Workshops statt. Unter anderem lädt die Autorin Birgit Sommer zu Schreibwerkstätten ein, die auch Kindern und Jugendlichen offenstehen. Zudem bietet Haderlap auf Wunsch Wanderungen an, die der örtlichen Partisanengeschichte nachgehen.

"Im Lepenagraben gibt es keinen einzigen Hof, der nicht zumindest ein Opfer der Vertreibung oder Ermordung durch die Nationalsozialisten zu beklagen hätte", sagt Zdravko Haderlap. Genaues Zeugnis von der Verfolgung der Kärntner Slowenen gibt die Gedenkstätte Peršmanhof. In den letzten Kriegstagen wurde dort von NS-Einheiten ein Massaker an Zivilisten verübt, der Großteil der Opfer waren Kinder. Eine neu konzipierte Dauerausstellung kann am Peršmanhof besucht werden.

"Lipuš kann nicht singen"

Die Geschichte der für das soziale Leben im Lepenagraben bedeutsamen Schulbildung reicht bis in das Jahr 1883 zurück. Diente diese anfänglich dem vorrangigen Ziel, den beinahe ausnahmslos slowenisch sprechenden Kindern das Deutsche "näherzubringen" (auch der berüchtigte "Deutsche Schulverein" spielte hierbei eine unrühmliche Rolle), entwickelte sich der zweisprachige Unterricht nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer wichtigen Säule slowenischer Identität.

In den Siebzigerjahren unterrichtete der Schriftsteller Florjan Lipuš an der Ljudska sola in Lepena - der Leppener Volksschule. "Lipuš war ein guter Lehrer", erinnert sich Zdravko Haderlap. "Nur singen konnte er nicht!" Besuchten damals noch mehr als 20 Kinder den Unterricht, wurden es über die Jahrzehnte immer weniger. Auch Zdravkos Schwester Maja Haderlap, Bachmann-Preisträgerin 2011, ging hier zur Schule. Im Juni letzten Jahres, genau an jenem Tag, an dem sie in Klagenfurt/Celovec vor den Bachmann-Juroren aus ihrem Roman Engel des Vergessens las, wurde das Kapitel Schulbildung in Lepena geschlossen. Heute wird das Gebäude vom lokalen Kultur- und Bildungsverein Zarja genutzt.

Die Feststellung des Germanisten Klaus Amann, dass Kärnten - mit Ausnahme von Wien - literarisch das stärkste österreichische Bundesland ist, belegen auch die schriftstellerischen Lebenszeichen aus dem Lepenagraben: Neben Florian Lipuš und Maja Haderlap stammen Cvetka Lipuš und Jože Blajs aus diesem Tal.

"Man fährt jetzt nach Südkärnten, nicht nach Unterkärnten", fühlte sich der Kärntner Landeshauptmann einmal bemüßigt, Haderlap zu belehren. Darüber kann dieser allerdings nur kopfschüttelnd lächeln. Und schenkt vom selbstgebrannten Hochprozentigen ein. "Widerstandsgeist" heißt der am Vinklhof. (David Guttner, Album, DER STANDARD, 11.8.2012)