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Eine europaweite Transaktionssteuer muss erst Gestalt annehmen.

Foto: apa/DIETMAR STIPLOVSEK

Österreichs Nachbarland Ungarn ist bekannt für seine eigenwillige Politik. Daher überrascht es nicht, dass man dort dieses Jahr eine Finanztransaktionssteuer im Alleingang durchsetzen wollte. Die Regierung um den rechtskonservativen Ministerpräsidenten Viktor Orbán könnte jetzt allerdings einen Rückzieher machen, denn im Moment laufen Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds um mögliche EU-Hilfsmilliarden. Die strittige Steuer als zusätzliches Problemfeld könnte dabei ein Hindernis sein. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat den ungarischen Vorschlag einer Finanztransaktionssteuer zuvor heftig kritisiert, vor allem befürchtete sie eine geschwächte Unabhängigkeit der dortigen Zentralbank, weil die Zentralbank ebenfalls der Steuer unterliege. Das ungarische Regierungsblatt Magyar Nemzet berichtet, dass die Steuer mit Einnahmen von 600 Millionen Euro sich ohnehin nicht groß im Budget niederschlagen würde.

Die Frage ist nun, ob nationale Alleingänge bezüglich der viel diskutierten Steuer sinnvoll sind oder nicht. Gründe dafür gäbe es genug. Der Finanzhandel ist außer Kontrolle geraten, vor allem der ultraschnelle Hochfrequenzhandel gerät zunehmend ins Visier der Kritik. Außerdem können die Euro-Staaten die Einnahmen daraus gut gebrauchen.

Beispiele für Alleingänge gibt es genug: Frankreich hat erst vor zwei Wochen eine Finanztransaktionssteuer in der Höhe von 0,2 Prozent gestartet. In Großbritannien, wo man sich weigert, bei einer EU-weiten Transaktionssteuer mitzumachen, existiert immerhin eine Stempelsteuer, eine Art Börsenumsatzsteuer auf bestimmte Finanzprodukte.

Viele Modelle, keine Deckung

„Ja, natürlich ist die Idee sinnvoll, weil es eine neue Art von Einnahme ist. Die Finanztransaktionen haben in den letzten Jahren extrem zugenommen und die Idee dahinter ist, die Geschwindigkeit und das Volumen der Transaktionen zu verringern", sagt Karin Küblböck von der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE) und Mitbegründerin von Attac Österreich. Die Rede ist allerdings von einer grenzübergreifenden Besteuerung von Transaktionen. „Der Finanzsektor würde so dazu beitragen, die für die Rettung dieses Sektors ausgegebenen Budgetmittel wieder zurückzuzahlen", sagt Küblböck zu derStandard.at.

Nationale Alleingänge wie zu Beispiel in Frankreich letzte Woche, könnten kontraproduktiv sein. „Es kommt darauf an wie leicht es ist, auszuweichen. Man muss die Umgehungsmöglichkeiten einschränken, zum Beispiel indem man ein kombiniertes Sitzland- und Ausgabeprinzip verwendet", sagt Küblböck. Das bedeutet eine Einhebung der Steuer, wenn eine Vertragspartei ihren Sitz in der EU hat, und das Finanzinstrument innerhalb der von der Steuer betroffenen Region ausgegeben wird.

Peter Rosner, Volkswirtschaftsprofessor an der Universität Wien, sieht das Ziel der Verlangsamung des Handels differenzierter: „Das ist umstritten und hängt davon ab, welche Erwartungen sich bilden und wie sich der Handel außerhalb der Börse entwickelt", sagt Rosner zu derStandard.at.

Anleger ärgern

Die Finanztransaktionssteuer geht auf den Ökonomen James Tobin zurück, der 1972 die Höhe von einem Prozent bei grenzüberschreitenden Devisenspekulationen gefordert hatte. Die heute diskutierten Ansätze bewegen sich im Bereich der Zehntelprozent, wenn nicht sogar im Hundertstelbereich.

In Frankreich zahlt ein Kunde bei einem Kauf in der Höhe von 17.000 Euro etwa 14,80 Euro an Steuern (für genaues Beispiel siehe Wissen). Die Berechnung ist zwar leicht nachvollziehbar, allerdings beklagen Anleger, dass dieser Ansatz kontraproduktiv ist. „Die Finanztransaktionssteuer wurde als eine Steuer 'verkauft', die Hochfrequenztrader und Hedge-Fonds treffen soll. Offensichtlich wird sie gerade dies nicht tun, da Käufe und Verkäufe innerhalb eines Tages gegeneinander aufgerechnet werden", so ein aufgebrachter Anleger zu derStandard.at. Aber nicht nur den Anlegern bereitet dies Sorgenfalten.

Problematik der Alleingänge

„Die Briten wollen ihren eigenen Weg gehen, immerhin sind sie ein großes Finanzzentrum für die Welt. Man hofft, dass der Handel dann nach London übersiedelt. Das ist natürlich auch ein Problem für die EU", sagt Volkswirt Rosner. Bei Alleingängen sei das Problem, dass bestimmte große Händler im Handel wegfallen würden.

Zudem würde eine Transaktionssteuer die Schwankungen am Markt vergrößern. Das Problem sei, dass bei einem Handel immer zwei Seiten aktiv werden müssen. Die Preisdifferenzen beziehungsweise Schwankungen müssen sich für die Beteiligten auszahlen. Ohne Steuer geht dies auch bei kleinen Differenzen. „Wenn beim Umsatz eine Steuer dazwischen liegt, dann müssen die Differenzen größer sein. Die Schwankungen werden also größer", sagt Rosner.

Sie könnte schon 2012 kommen

Eine europaweite Einführung der Steuer dürfte noch auf sich warten lassen. Dennoch hat sich in den letzten Wochen eine „Koalition der Willigen" gefunden, die die EU-Kommission dazu bewegen kann, eine „prioritäre Prüfung" durchzuführen. Das bedeutet, dass neun EU-Mitgliedsstaaten eine verstärkte Zusammenarbeit ins Auge fassen können. Zumindest in dieser Länderkoalition könnte es also Ende 2012 soweit sein, dass ein entsprechender Entschluss gefasst wird (eingehoben könnte die Steuer allerdings erst später werden).

Die genauen Schätzungen, wie hoch die Einnahmen daraus sein könnten, divergieren aber. Im Europäischen Parlament geht man beispielsweise davon aus, dass bei einem Satz von 0,1 Prozent für An- und Verkauf von Aktien und Anleihen etwa 57 Milliarden Euro Einnahmen zustande kämen und stellt diesen Betrag den 4,6 Billionen Euro gegenüber, die bisher als Krisenmaßnahme in die Hand genommen werden mussten. Den Staaten könnte das helfen, sich dadurch finanzielle Unterstützung zu sichern, aber trotzdem ist eine all zu schnelle Umsetzung noch Zukunftsmusik. Aber warum?

Absichtliche Verzögerungen

„Es gibt ganz bestimmte Akteure, zum Beispiel Banken, die sehr großen Einfluss auf die Politik haben. Hier gibt es die Intention, die Entwicklung so lange wie möglich hinzuhalten, weil man ja an der derzeitigen Situation gut verdient. Aber auch im Bankbereich mehren sich die Stimmen die für die Einführung sind", sagt Küblböck. „Vor zehn Jahren war diese Art von Steuer noch utopisch, jetzt gibt es einen konkreten Vorschlag der EU-Kommission darüber. Im Grunde kann man hier von einer Erfolgsstory sprechen."

Auch innerhalb der Wirtschaftswissenschaften sei die Finanztransaktionssteuer noch ein Randthema, sagt Volkswirt Rosner: „Eine Berufskrankheit der Ökonomen ist es, abgeneigt gegenüber etwas zu sein, wenn es den Handel einschränkt. Aber in Fall der Transaktionssteuer ist man nicht glücklich darüber, wie sich der Handel in den letzten Jahren entwickelt hat. Die Politik ist jetzt am Zug." (Clemens Triltsch, derStandard.at, 16.8.2012)