Wien - "Das ist eine pragmatische Lösung eines anstehenden Problems", sagt Umweltminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP). "Somit werden wir die Vorgaben des Kioto-Klimaschutzprotokolls erfüllen."
Um insgesamt 160 Millionen Euro, zu einem Preis von fünf bis sechs Euro pro Zertifikat, wurden in den letzten Monaten Emissionsberechtigungen aufgekauft. Eines dieser Zertifikate erlaubt die Emission von einer Tonne des Treibhausgases Kohlendioxid. Damit werden die 30 Millionen Tonnen CO2e (CO2-Äquivalent) kompensiert, die Österreich im Verlauf des Kioto-Protokolls bis Ende dieses Jahres zu viel in die Atmosphäre geblasen hat.
Österreich ist also glimpflich davongekommen: Vor einigen Jahren hatte der Wifo-Ökonom Stefan Schleicher errechnet, dass Österreich im Rahmen des Kioto-Protokolls (2008 bis 2012) rund 30 Millionen Tonnen Treibhausgase zu viel emittieren würde. Daraus, schloss Schleicher, würden sich Strafzahlungen von rund 500 Millionen Euro ergeben.
Überangebot an Zertifikaten drückt Preis
Dass diese hohe Summe nun auf 160 Millionen Euro zusammengeschrumpft ist, hängt damit zusammen, dass in einigen Kioto-Vertragsstaaten viel zu viele Emissionsberechtigungen im Umlauf sind. Vor allem die Staaten des ehemaligen Ostblocks, deren energieintensive Schwerindustrien in den letzten 20 Jahren massiv zurückgegangen sind, sitzen auf nicht benötigten Emissionsberechtigungen - und verkaufen diese nun zu einem Spottpreis von fünf bis sechs Euro die Tonne.
Berlakovich verweist darauf, dass in keinem Fall "heiße Luft" erworben wurde. Vielmehr habe man darauf geachtet, dass das Verkäuferland mit den Einnahmen aus dem Zertifikatedeal in Klima- und Energiemaßnahmen investiert: In Bulgarien wurden Schulen und Kindergärten thermisch saniert; in Tschechien wurde in Biomasse-Werke investiert.
Für die Grünen ist die Rechnung teurer
Für die grüne Umweltsprecherin Christiane Brunner ist die Aktion nur die halbe Wahrheit und keinesfalls billig. Für eine korrekte Rechnung sollte das Umweltministerium zu diesen 160 Millionen Euro auch die 530 Millionen Euro dazurechnen, die über die Jahre in Uno-Projekte für den Klimaschutz geflossen sind. Dafür konnte sich Österreich 45 Millionen Tonnen CO2 gutschreiben.
Alles in allem habe sich Österreich mit insgesamt fast 700 Millionen Euro von seinen Klimaschutzverpflichtungen freigekauft, kritisiert Brunner. "Mit diesem Geld hätte man in Österreich viel für den Klimaschutz machen können." Im Vergleich dazu seien Ökostromförderung mit 50 Millionen Euro im Jahr und die Subvention von Photovoltaik mit 25 Millionen Euro lächerlich gering dotiert.
Auch ist die Rechnung noch nicht ganz durch, schließlich kann erst nach 2012 abgerechnet werden. Im letzten Klimaschutzbericht wird die "Kioto-Lücke" mit 26 bis 42 Millionen Tonnen CO2e beziffert. Im schlechtesten Fall müssten für nochmals zwölf Millionen Tonnen Treibhausgase Zertifikate gekauft werden. (Johanna Ruzicka, DER STANDARD, 16.8.2012)