Salzburg - Da wächst kein Gras mehr - das "Amen" im Credo der Messe solennelle von Hector Berlioz (mit Tamtam, Pauken und Trompeten) ist ja mehr als der übliche "Punkt" hinter irgendwelchen Lehren. Schon einige Glaubenssätze vorher, in den Versen "Et iterum venturus est", setzt Berlioz in seiner Partitur ja ein Forte ein, das auferweckt. Und der Komponist scheint seinen Spaß damit gehabt zu haben: "Ich war unglaublich aufgeregt und bediente das Tamtam im 'Resurrexit' mit solcher Wucht, dass die ganze Kirche erzitterte", schreibt er in seinen Memoiren über die Pariser Uraufführung 1824.

Das Große Festspielhaus würde vieles vertragen. Tatsächlich aber hat Dirigent Riccardo Muti nicht mit Lautstärke, sondern mit einer ebenso lustvoll musikantischen wie kontrolliert gebändigten Wiedergabe dieses Berlioz-Werkes begeistert. Die wenigen wirklichen Fortissimo-Passagen haben Muti, die Wiener Philharmoniker und die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor spannend und spannungsvoll aufgebaut. So kam es zu reizvollen Entwicklungen und Kontrastwirkungen, etwa zwischen dem besagtem Fortissimo im "Et iterum venturus est" und dem heiteren "Cujus regni".

Umgekehrt war es genauso aufregend: Über dem von Geigen, Klarinetten und Flöten lieblich umspielten "Gratias" im Gloria ballten sich alsbald die Klänge wie Gewitterwolken zum dramatischen "Jesu Christe" zusammen. Hut ab vor dem Chor und seinen Sopranistinnen: Die Melodien und Motive wurden strahlend klar und bruchlos über die Lagen geführt.

Ähnlich differenziert wie mit dem Jugendwerk von Berlioz ging Muti mit Les Préludes von Franz Liszt um. Brillant die Streicherfarben, fein facettiert der Bläserklang (erwähnt sei nur der von den Streichern umspielte Bläserchoral): Es war ein Erlebnis, das von den Nazis missbrauchte und daher noch immer eher selten aufgeführte Werk in einer so feinsinnigen Wiedergabe zu erleben.

Spannend auch die Begegnung mit Liszts noch seltener aufgeführten Symphonischen Dichtung Von der Wiege bis zum Grabe, in der Muti ebenfalls die Palette der gedeckten Farben nutze, um die strahlenden Momente umso eindrücklicher wirken zu lassen.   (Heidemarie Klabacher, DER STANDARD, 16.8.2012)