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Schrei vor Glück: Begegnungen mit Walen, wie hier vor Hawaii, können starke Emotionen auslösen.

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Organisationen wie die Pacific Whale Foundation auf Hawaii bemühen sich, Tourismus und den Schutz der Tiere unter einen Hut zu bekommen.

Honolulu / Ponta Delgada - Oft dauert es eine halbe Ewigkeit, manchmal hat einem der raue Seegang schon den Magen komplett ausgeräumt. Aber sobald ein Wal auftaucht, ist alles vergessen. Vor allem die erste Begegnung mit einem der Riesen auf dem offenen Meer kann starke Emotionen auslösen, nicht selten fließen Tränen in den Ozean. "I love you", schreit Patsy aus Montana immer wieder. Später, nach dem dritten Mai Tai in Lahaina auf Maui, der zweitgrößten Insel von Hawaii, wird sie ihre Rührung so zusammenfassen: "I wet my pants."

Zwischen Dezember und Anfang Mai erlebt die Besatzung der Ocean Freedom, eines der Wal beobachtungsboote der Pacific Whale Foundation (PWF), jeden Tag derartige Gefühlsausbrüche an Bord. Während dieser Monate sind die Gewässer vor Maui die Kinderstube von Buckelwalen der nördlichen Hemisphäre. Muttertiere bringen im warmen Wasser Kälber zur Welt, zeigen ihnen, wie man mit Fluke und Flippern umgeht und wie viel Spaß es (dem Publikum) macht, sich aus dem Wasser zu katapultieren. Bullen sind solo als sogenannte Sänger oder als Begleiter unterwegs, mitunter liefern sie sich Rangeleien.

Population verdoppelt

Sogar beim Schnorcheln, wenige Meter vom Strand entfernt, sind die Laute der bis zu 45 Tonnen schweren Meeressäuger unter Wasser deutlich zu hören. Die PWF schätzt, dass heuer 10.000 Tiere in Hawaii zu Besuch waren, bevor sie sich wieder zum Fressen nach Alaska aufmachten - doppelt so viele wie vor zwanzig Jahren. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist diese Zunahme auch eine Folge der strikten Schutzbestimmungen auf Hawaii. Während der "Kohola Lele"-Saison ("springende Buckelwale") ist der Schiffsverkehr stark eingeschränkt, private Motorboote sind verboten. Für das Whale-Watching gelten strenge Auflagen, die die PWF als Non-Profit-Organisation mit Forschungsauftrag mitgeprägt hat.

Auch in anderen Teilen der Welt boomen Walbeobachtungen. Und auch hier versuchen engagierte Organisationen, Vorreiter war Greenpeace, Regeln durchzusetzen, um die Tiere nicht zu stören. Dazu gehört: Mindestabstand von 100 Metern, neugierige Wale (wie zum Beispiel die Grauwale vor der Halbinsel Baja California in Mexiko) kommen ohnehin selbst näher; niemals einem Tier den Weg abschneiden; das Boot immer längsseits halten.

Wale zeigen keine Furchtsymptome, aber die PWF fand heraus, dass Tiere, die von Whale-Watchern bedrängt werden, weniger Luft holen und kürzere Tauchphasen absolvieren. Was Walkühe, die sich hauptsächlich unter Wasser um ihren Nachwuchs kümmern, erschöpfen kann.

Ein europäisches Paradebeispiel für den Wandel von Walfang zu Whale-Watching sind die Azoren. Die portugiesische Inselgruppe im Atlantik war bis Mitte der 80er-Jahre ein Zentrum des Pottwalfanges. Damals waren die tief tauchenden Zahnwale, die sich von Tintenfischen und Riesenkalmaren ernähren, fast ausgerottet. Nach dem Walfangmoratorium - das nur Island, Japan, Norwegen und Südkorea (siehe unten) nicht oder nur teilweise akzeptieren - brach auf den Azoren das Walgeschäft zusammen. Bis der französische Forscher Serge Viallelle in den 90ern die Nachfolger von Moby Dick groß herausbrachte. Viallelle und seine Partnerin Alexandra Teles en gagierten Ex-Walfänger als Walsucher, die Beobachtungstouren dirigierten. Ihr Stützpunkt Espaço Talassa auf der Insel Pico ist eines der meistausgezeichneten Projekte Portugals. (Michael Simoner, DER STANDARD, 16.8.2012)