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In Deutschland kommt E10 gar nicht gut an.

Foto: APA/ebener

Wien - Für das SPÖ-geführte Verkehrsministerium ist es offenbar nicht fix, dass der umstrittene Biosprit E10 im Herbst eingeführt wird, wie dies Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) gerne hätte. Eine klare Ansage gab es aber nicht, das Ressort von Verkehrsministerin Doris Bures spielte den Ball zurück an Berlakovich. Dieser müsse "das Einvernehmen von Gesundheits-, Wirtschafts- und Verkehrsministerium herstellen". Außer der ÖVP scheinen alle Parteien gegen E10 zu sein, auch Arbeiterkammer und Kirche bekräftigen abermals ihre Ablehnung.

Angst vor deutschem Schicksal

"Dabei müssen die aktuellen Entwicklungen miteinbezogen werden", so das Verkehrsministerium. Damit dürfte aber nicht die weltweite Hungerkrise gemeint sein, die ja durch die steigende Produktion von Agrosprit verschärft wird. "Es wurde vereinbart, dass auch die betroffenen Industrien, also auch Mineralölwirtschaft und Autoindustrie, mit am Tisch sein sollen, weil die Auswirkungen auf die Treibstoffpreise insgesamt und die Frage, welche Motoren E10 vertragen und welche Garantien die Autobesitzer hier haben, noch erörtert werden müssen."

Und: "Es sollte sichergestellt werden, dass sich bei einer möglichen Einführung von E10 in Österreich nicht ein Flop wie in Deutschland ereignet."

Deutlicher wurde da schon die SPÖ-Abgeordnete Petra Bayr. Sie forderte Berlakovich auf, von der Einführung im Herbst abzusehen. "Agrotreibstoffe sind weder bio- noch nachhaltig. Der Anbau von Pflanzen für die Gewinnung von Treibstoff verdrängt den Anbau von Nahrungsmitteln", in Zeiten wie diesen sei dies "unmoralisch", so die rote Bereichssprecherin für globale Entwicklung.

Grüne und Kirche vereint

Ähnlich sehen das die Grünen und die Diözese Graz-Seckau. Als "ethisch unverantwortlich und skandalös" bezeichnete Grünen-Landwirtschaftssprecher Berlakovichs Pläne. Er forderte den Minister auf "endlich seine völlig überzogenen Biosprit-Pläne auf Eis zu legen". Die Agrospritproduktion in Österreich in den vergangenen Jahren habe bereits zu einer "massiven Zunahme" von Getreide-Importen geführt.

Sigrun Zwanzger vom "Welthaus der Diözese Graz-Seckau" kritisierte in einer Aussendung: "Anders als von Minister Berlakovich behauptet, reichen für die geplante Beimengung von zehn Prozent Agrotreibstoffen die heimischen Anbauflächen bei weitem nicht aus." Grundsätzlich sei Biosprit nicht nur wegen der unökologischen und energieaufwändigen Produktion ungeeignet für den Klimaschutz und hätten nachweislich zum massiven Preisanstieg von Lebensmitteln beigetragen.

Laut dem "Welthaus" hat ein Bündnis von Organisationen bereits eine Petition im österreichischen Parlament eingereicht. Diese fordert, die Regierung müsse ihre menschenrechtlichen Verpflichtungen wahrnehmen und sich für ein Moratorium der Beimischungsquote für Agrosprit einsetzen. Diese kann unter dieser Adresse unterzeichnet werden.

Dem Bündnis gehören unter anderen die Dreikönigsaktion, Naturfreunde, Klimabündnis, Katholische Aktion Wien, Südwind, Welthaus Wien, VCÖ und viele andere Organisationen an.

Arbeiterkammer sieht massive Mehrkosten

Die Arbeiterkammer (AK) sieht in den wohl bevorstehenden Teuerungen bei Gebäck und Fleisch die weltweiten Minderernten nur als "vorgeschobenen Grund". "Tatsächlich heizen Börsenspekulanten die Preise weiter an", kritisierte Silvia Angelo, AK-Wien-Leiterin der Wirtschaftspolitik am Donnerstag in einer Aussendung. Die für Herbst avisierte Einführung des Biosprits würde laut ihren Berechnungen den Konsumenten unter Strich rund 51 Millionen Euro pro Jahr mehr belasten - an Produktmehrkosten und Steuern.

Unter anderem bedeute es, für Lebensmittel tiefer in die Geldtasche zu greifen. "Die künstliche Angebotsverknappung von Mais durch die Beimischung von Biosprit" vor allem in den USA mit bis 40 Prozent der Maisernte sei weltweiter Preistreiber. Grundsätzlich fehle es auch "auf allen Märkten" an Transparenz, was an Rohstoffmengen vorhanden sei. Die EU-Kommission müsse dafür sorgen, Spekulationen auf Rohstoffe und Lebensmittel einzudämmen.

BZÖ sieht Liebkosungen für Raiffeisen

Auch FPÖ und BZÖ sprachen sich vor dem Hintergrund der neu aufgeflammten Debatte um gestiegene Nahrungsmittelpreise gegen die E10-Einführung im Herbst aus. "Die Tatsache, dass Nahrungsmittel verwendet werden, um im Auto verbrannt zu werden, gefällt mir ganz und gar nicht. Ich bin dafür, den Herbsttermin auszusetzen", deponierte FPÖ-Umweltsprecher Norbert Hofer. "E10 ist für die Landwirte existenzgefährdend, weil die Futtermittel immer teurer werden. Außerdem gehört Essen auf den Teller und nicht in den Tank", meinte auch BZÖ-Agrarsprecher Gerhard Huber. Er vermute, dass Berlakovich "nur wegen Raiffeisen/Agrana auf E10 beharrt."

Der zu Raiffeisen gehörende Zucker-, Frucht- und Stärkekonzern Agrana könnte laut früheren Angaben mit seiner Bioethanolproduktion im niederösterreichischen Pischelsdorf bereits heute den gesamten Ethanolbedarf für E10 in Österreich decken.

Auch der ARBÖ meldete sich erneut zu Wort. Am Donnerstag warnte der Autofahrerclub vor der "korrosiven Wirkung" des Agrosprits auf Dichtungen und Kupferrohre. "Schließlich ist mittlerweile erwiesen, dass nicht nur ältere Gebrauchtwagen E10 nicht vertragen. Fahrzeughersteller warnen auch bei neueren Fahrzeugmodellen davor, E10 zu tanken", so ARBÖ-Generalsekretärin Lydia Ninz.

Wifo-Experte für Moratorium

Wifo-Energie- und Klima-Experte Stefan Schleicher dafür aus, den Agrosprit nicht schon in diesem Herbst in Österreich einzuführen. "Wir sollen uns noch etwas mehr Zeit nehmen. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass es zu einem Moratorium kommt", sagte Schleicher.

Die Einengung der Diskussion auf die Frage "Teller versus Tank" hält er für "unzureichend". Die Debatte um E10 sollte aus Sicht des Experten einen Anstoß geben für eine breit angelegte Diskussion über die Verkehrspolitik der Zukunft. (APA, 17.8.2012)