Wirksam gegen den Helicobacter-pylori-Keim: Brokkoli - mindestens ein halbes Kilo am Tag sieben Tage lang.

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Der Helicobacter-pylori-Keim soll für 70 Prozent aller Magengeschwüre und 90 Prozent aller Zwölffingerdarmgeschwüre weltweit verantwortlich sein. Ungewaschenes Obst und Gemüse, schmutzige Hände, Küssen – es sind zahlreiche Gerüchte im Umlauf, wie man sich Helicobacter einhandeln kann, aber "es gibt keinen einzigen bewiesenen Infektionsweg", sagt Marcus Franz, Internist und Ärztlicher Direktor des Hartmannspitals in Wien. "Die Welt ist voller Keime und Bakterien. Bei den unzähligen Infektionen, die übertragen werden, sind die Quellen für die Infektion meistens nur Vermutungen."

"Stumme" Infektion

Mit noch so viel Händewaschen lässt sich also nicht vermeiden, dass sich der Helicobacter-Keim im Organismus einnistet, doch nicht immer geht er mit Beschwerden einher. "Bis zu 80 Prozent der Bevölkerung tragen den Keim in sich, und die Menschen leben schon seit Jahrtausenden damit", sagt Marcus Franz. "Eine stumme Infektion bedeutet nicht, dass man krank ist."

Sollte Helicobacter doch Beschwerden verursachen, manifestieren sich diese meist in Form von Schmerzen oder Druck im Oberbauch, in einem ständigen Völlegefühl, Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen oder schwarzem Stuhl. Am häufigsten macht sich der Keim aber in Form einer Anämie bemerkbar. Wer sich aufgrund systemischer Symptome wie chronischer Müdigkeit oder nicht genau definierbarer Schmerzen einer Blutuntersuchung unterzieht, wird laut Franz routinemäßig auch auf Helicobacter getestet. Doch manchmal bleibt es nicht bei den oben genannten Symptomen: 1994 stufte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Helicobacter pylori als ''definitiven Krebserreger'' ein. Er ist bei der Entstehung des Maltlymphoms mitverantwortlich, einer seltenen Art von Magenkrebs.

Behandlung nur bei Beschwerden

Eine Behandlung des Helicobacter pylori empfiehlt Franz beim Auftreten von Magenproblemen, Gastritis, Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren, dem Maltlymphom sowie bei der ständigen Einnahme von Antirheumatika und chronischen Blutverdünnungsmitteln. "In allen anderen Fällen sollten wir ihn unbehandelt lassen", meint der Internist.

Ob eine stumme Infektion nicht Spätfolgen nach sich ziehen kann? "Vermutlich nein", meint Franz und gibt zu bedenken: "Wir kennen den Keim erst seit den 1980er Jahren, aber es gibt ihn wahrscheinlich seit Anbeginn der Menschheit. Alles, womit wir so lange leben, ist vermutlich nicht ausschließlich schlecht, sonst hätten wir uns schon längst davon getrennt." Mehrere Faktoren, wie schlechte Ernährung, Magensäureschwankungen oder viel Stress, müssten zusammenspielen, dass der Keim krank mache und es zu einer Entzündung oder Geschwürsituation komme.

Resistenzen in Südeuropa

Die aktuelle Standard-Medikation für Helicobacter-Patienten besteht in der Verabreichung einer gewöhnlich sieben Tage dauernden oralen Triple-Therapie mit einem Protonenpumpenhemmer und den Antibiotika-Substanzen Metronidazol und Clarithromycin. Die Medikation wird alle paar Jahre erneuert, da sich die Keime an die Antibiotika gewöhnen und Resistenzen auftreten können.

Bei etwa 90 Prozent der österreichischen Patienten greift die Therapie, anders ist die Situation in Südeuropa, weiß Franz, wo mehr als 20 Prozent der infizierten Menschen resistent gegen das Antibiotikum Clarithromycin sind.

Brokkoli-Therapie und "Auslass-Diät"

Doch es müssen nicht immer Antibiotika sein. Marcus Franz verordnet seinen Helicobacter-Patienten eine Alternativtherapie: Sieben Tage lang müssen die Betroffenen mindestens ein halbes Kilo Brokkoli pro Tag verzehren. Eine Studie der Johns-Hopkins-Universität in den USA brachte die Erkenntnis, dass der Inhaltsstoff Sulforaphan dem Keim den Garaus macht. "Ich wende die Brokkoli-Therapie in meiner Praxis seit drei Jahren an. Bei meinen Patienten ist der Helicobacter-Keim nachweislich verschwunden", so der Internist. Das Gemüse hänge den Patienten nach dem dritten Tag zwar zu den Ohren heraus, dafür sei es nebenwirkungsfrei und nicht schädlich.

Anderen diätischen Maßnahmen steht Franz mit Skepsis gegenüber: "Wenn man googelt, kommt man auf 150.000 Ernährungsempfehlungen, und keine einzige davon hat sich als wirksam erwiesen." Mit Ausnahme der "Auslass-Diät": Dabei werden alle Lebensmittel, die dem Organismus nach eigenem Empfinden schaden, weggelassen. Franz: "Der Körper ist mein bester Koch. Ich empfehle meinen Patienten, alles zu essen, was ihnen guttut."

An Impfung wird geforscht

Vor allem um das wachsende Resistenz-Problem in den Griff zu bekommen, wird derzeit intensiv an einer Impfung gegen das Bakterium geforscht. Franz hält eine solche nur dann für sinnvoll, wenn eine familiäre Häufung von Magenkarzinomen oder Maltlymphom besteht, darüber hinaus zeigt er sich skeptisch: "Derzeit gibt es knapp 500 bekannte Populationen von Helicobacter-Stämmen, da stellt sich die Frage, ob ich mit einer Impfung alle mit erwische. Außerdem passen sich die Keime an die Gegebenheiten der jeweiligen Region an. Der Helicobacter-Keim in Feuerland ist sicher ein anderer als der in Schweden." (Eva Tinsobin, derStandard.at, 22.8.2012)