So, und jetzt lost amol, Madlen, das isch jetzt besonders wichtig für euch. Ich werd enk von einem Volk erzählen, das einmal hier glebt hat, von den Saligen." Die Vilen, Feen, die Bethen, die Weißen Frauen. Es gab einmal eine Zeit, in der sie die Ärmel ihrer weißen Gewänder hochkrempelten und dem Menschenvolk bei der Aussaat, beim Bestellen der Felder und bei der Ernte halfen. Mit nichts zum Lohn als bestenfalls einer Schale Milch. Mehr hätte sie vertrieben.

In frühchristlicher Anbiederung wurden dann Namen wie Ambeth, Borbeth und Wilbetan zu Anna, Barbara und Katharina. Man zog ihnen Heiligengewänder über, stellte sie auf Altäre, von denen aus sie wächsern in ferne Leeren blicken. Schickte die urigen wilden Saligen über die Fluren, Wiesen und Wälder zurück in Gebirgshöhlen, in die Nebel der Vergangenheit und von da in das unbefriedete Reich der Sagen.

Aus eben diesem scheinen Linda Wolfsgruber die Gestalten zugeflogen zu sein, die ihr schönes, starkes Buch Von den wilden Frauen beseelen - Ur-Bilder aus Urzeiten. Schatten, Symbole, gehörnte Gottheiten, Frauen, Schlangen. Entrisch wie die Geschichten die der Hutzler Matthiesl, ein Tiroler Faktotum, selbst schon zu Lebzeiten mit allem Zeug zur Sagengestalt ausstaffiert, erzählte. Und eben diese sind, transkribiert von Martin Auer und liebevoll eingebettet in der "Bibliothek der Provinz" des Buchästheten Richard Pils - um ein bisschen mehr als eine Schale Milch, um € 22,-, zu haben. (Angela Maria Pieta/DER STANDARD; Printausgabe, 28.06.2003)