Wien - Letzte Schulgruppen lernen vor Ferienbeginn noch rasch etwas fürs Leben. "Können wir die Öffentlichkeit ausschließen, Herr Rat?", fragt der Angeklagte: "Mir ist das vor den Jungen peinlich." - "Das kann Ihnen nicht mehr peinlich sein, dafür machen Sie es schon zu lange", erwidert der Richter. - Stimmt. Seit etwa 30 Jahren lässt sich Herr Heinz in heimischen Nachtklubs von (betrunkenen) Freiern Zigaretten anzünden und befreit sie zur Belohnung von ihren Brieftaschen. Das ergab bisher sieben Vorstrafen und netto dreieinhalb Jahre Haft.

In die Bars der Rotlichtviertel

"Wollen Sie sich nicht einmal zur Ruhe setzen?" fragt der Richter. "Wenn s' im Fernsehen was G'scheites spielen tät, würd' i eh z'haus bleiben", erwidert der Angeklagte. "Jeden Tag Champions League, und ich wär' ein anständiger Mensch." So aber treibt ihn die Langeweile mehrmals wöchentlich in die Bars des Rotlichts, "wo ich ursprünglich herkomm'". Und das gehe eben ins Geld. "Wissen Sie, was bei der ,Angie' ein Rüscherl kostet?", fragt Herr Heinz. "Ich weiß nicht einmal, was ein Rüscherl ist", gesteht der Richter. "Schließen S' die Öffentlichkeit aus, dann mach' ma eine Verkostung", schlägt der Angeklagte vor.

Ob er es nicht gemein findet, unschuldige Gäste zu bestehlen? - "Dort wo ich hingeh', gibt's keine unschuldigen Gäst'", erwidert Herr Heinz. Mit Freiern habe er kein Mitleid. "Die merken doch eh kan Unterschied, ob sie ihr Geld bei mir oder bei einer Schönen der Nacht lassen."

Was sein Handwerk so reizvoll macht: Die meisten bringen den Diebstahl gar nicht zur Anzeige, weil sonst ihr Hobby auffliegen würde. "Ich bin ein Robin Hood der Ehefrauen", behauptet der Angeklagte. "Nur dass Sie das Geld selbst einstecken." - "Ich spend' auch viel, Herr Rat." - "Heilig sprechen werde ich Sie nicht", versichert der Richter. Eher schon schuldig. Aber erst beim nächsten Mal, wenn Zeugen erschienen sind. (Daniel Glattauer, DER STANDARD Printausgabe 28/29.6.2003)