Eingehoben hat Klosterneuburg die vorgesehenen Steuern - in Wien abgeliefert wurde aber nur ein kleiner Teil. Ende des 17. Jahrhunderts lag die Stadt daher mit acht bis zehn Jahressteuerleistungen im Rückstand. "Es wurde einfach darauf spekuliert, dass diese Rückstände nicht eingetrieben werden", erzählt Wirtschaftshistoriker Bernhard Hackl. Was in diesem Fall aufging - und auch sonst geriet in dem komplizierten Steuerwirrwarr bis 1750 so manche Steuerlast wieder in Vergessenheit: Ein Detail aus dem vom Wissenschaftsfonds geförderten Projekt über die fiskalpolitische und sozioökonomische Situation der landesfürstlichen Städte und Märkte in Niederösterreich.

Hackl wertete Quellen aus dem 16. bis 18. Jahrhundert aus, teilweise bis zurück zum 14. Jahrhundert. Dafür konzentrierte er sich in Niederösterreich auf die Orte, die direkt dem Landesfürsten unterstanden: Neben Wien - das die Hälfte der Steuerlast trug - waren das Krems, Klosterneuburg, Langenlois, Baden und 14 weitere. Diese bildeten den "halben Vierten Stand" und hatten etwa zehn Prozent der gesamten Steuerlast zu tragen. Was vor allem in Krisenzeiten nicht leicht zu bewältigen war.

Doch: Wenn eine Stadt von der Zahllast befreit wurde, mussten die anderen einspringen. Von Solidarität war daher nicht viel zu bemerken, dafür aber von Rivalität, Grabenkämpfen und strategischen Bündnissen: "Man kann durchaus Parallelen zur nordischen Hanse ziehen", meint Projektleiter Herbert Knittler vom Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Uni Wien, "das permanente Herumrangeln findet man hier auf kleinerer Ebene wieder."

Teilweise hätten einzelne Bürgergemeinden andere offen denunziert und der Steuerhinterziehung beschuldigt. Auch persönliche Beleidigungen fanden sich im amtlichen Schriftverkehr - "der Steuereinnehmer wurde als komplett unfähig und überaltert bezeichnet", bringt Hackl ein Beispiel.

Um solche Details zu einem Ganzen fügen zu können, verbrachte Hackl in den vergangenen zwei Jahren mehr als 2500 Stunden in zwölf Stadtarchiven, dem Landesarchiv und dem Hofkammerarchiv. Eine lohnende Arbeit, betont Knittler: "Gerade hier hat man gut gesehen, dass das Ergebnis nur sinnvoll ist, wenn man das Wissen aller kleinen Archive zusammenfasst."

Eingeschränkt, aber doch, lassen sich Parallelen bis zum heutigen Tag ziehen: "Die Steuerautonomien der Kommunen haben sich eigentlich bis heute durchgezogen", so Hackl - im Vergleich mit anderen europäischen Ländern hätten die Gemeinden, Städte und Länder bis heute eine starke Position, während beispielsweise Frankreich deutlich zentralistischer agiere. Daran hätte auch die Steuerreform Maria Theresias nicht so viel geändert wie bisher angenommen.

Nach 1749 gab es keine Steuerrückstände der Städte mehr. An der Zahlungsmoral hätte sich nichts verändert, meint Hackl, und rein theoretisch auch nicht an der Höhe der Steuerforderung an den halben Vierten Stand. Praktisch aber sei eine gedeckelte Pauschale eingeführt worden: Über diverse Tricks und Kompensationsfonds wurde die Steuerlast auf ein erträgliches Maß gedrückt. Damit erreichte Maria Theresia eine Art "internes Nulldefizit". (wpl/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28./29..6. 2003)