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Nach acht Verhandlungstagen endet der Prozess gegen Pussy Riot.

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Femen-Aktivistinnen erklären sich solidarisch mit Pussy Riot.

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Moskau/Wien/Brüssel - Keine Gnade für Putin-Gegner: Nach ihrem Protest gegen Kremlchef Wladimir Putin in einer Kirche müssen drei Frauen der Skandal-Punkband Pussy Riot ins Straflager. In dem international umstrittenen Strafprozess begründete Richterin Marina Syrowa die Verurteilung zu je zwei Jahren Haft am Freitag in Moskau mit Rowdytum aus religiösem Hass. EU, USA und OSZE kritisierten das Urteil scharf, Außen-Staatssekretär Wolfgang Waldner (V) warf Moskau einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention vor.

Die Staatsanwaltschaft hatte für die Künstlerinnen Nadeschda Tolokonnikowa (22), Maria Aljochina (24) und Jekaterina Samuzewitsch (30) je drei Jahre Gefängnis beantragt, die Verteidigung Freispruch. Die Verteidigung will das Urteil anfechten. Die Untersuchungshaft von knapp sechs Monaten werde angerechnet, sagte Richterin Syrowa. Die Angeklagten, darunter zwei Mütter kleiner Kinder, hatten wiederholt menschenunwürdige Bedingungen in der U-Haft beklagt.

Syrowa warf den Frauen während der mehr als zweieinhalbstündigen Urteilsverkündung vor, mit ihrem Protest in der Erlöserkathedrale in Moskau am 21. Februar die Gefühle der Gläubigen auf das Gröbste verletzt zu haben. Die Künstlerinnen hatten dort ein Punkgebet gegen Putin und den russisch-orthodoxen Patriarchen Kirill aufgeführt.

Syrowa widersprach den Frauen, es habe sich nicht um eine politische Aktion gehandelt. Zudem hätten sie keine Reue für die konspirativ vorbereitete Performance gezeigt, sagte die Richterin. Allerdings hatten sich die Angeklagten zum Prozessauftakt für den Fall entschuldigt, dass sie religiöse Gefühle verletzt hätten.

Zuhörer riefen "Schande!"

Während der Urteilsverkündung im Gerichtssaal riefen Zuhörer "Schande!" Die mit Handschellen gefesselten Angeklagten verfolgten den Richterspruch in einem Kasten aus kugelsicherem Plexiglas gelassen. Bei Protesten vor dem weiträumig abgesperrten Gerichtsgebäude wurden mindestens 60 Anhänger der Künstlerinnen festgenommen, darunter Ex-Schachweltmeister Garri Kasparow und Oppositionsführer Sergej Udalzow. Der Menschenrechtsbeauftragte des Kreml, Michail Fedotow, kritisierte den Schuldspruch als "gefährlichen Präzedenzfall".

EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton forderte umgehend eine Revision des Urteils, mit dem Moskau gegen internationale Verpflichtungen verstoße. Die US-Botschaft in Moskau nannte das Urteil "unverhältnismäßig". Auch Staatsekretär Waldner sprach von einer "völlig unverhältnismäßigen Strafe". "Eine friedliche Kunstaktion kann nicht als Verbrechen gelten, das zu einer langanhaltenden Inhaftierung führt", unterstrich der frühere langjährige Kulturmanager in einer Aussendung. Ähnlich äußerte sich der deutsche Chefdiplomat Guido Westerwelle. "Das harte Urteil steht in meinen Augen in keinem Verhältnis zur Aktion der Musikgruppe", sagte er dem "Tagesspiegel" (Samstag). Die Pressefreiheits-Beauftragte der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Dunja Mijatovic, betonte, freie Meinungsäußerung dürfe "unter keinen Umständen zu Gefangenschaft führen".

"Das ist Putins Prozess gewesen"

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag, Ruprecht Polenz, machte Putin für das Urteil persönlich verantwortlich. "Das ist Putins Prozess gewesen. Es ist Putins Urteil. Und es ist ein Urteil, das jeder Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit hohnspricht", unterstrich der CDU-Politiker. SPÖ-Menschenrechtssprecherin Petra Bayr sagte, Europa dürfe "nicht weiter tatenlos zuschauen, wie das Putin-Regime Menschenrechte und Meinungsfreiheit tagtäglich aufs Neue mit Füßen tritt." Auch Künstler des Internationalen Literaturfestivals Berlin, darunter die Literaturnobelpreisträger Elfriede Jelinek und Mario Vargas Llosa, kritisierten das Vorgehen gegen die drei Musikerinnen.

Die Anwälte von Pussy Riot wollen das Urteil in der nächsten Instanz anfechten. Einem Gnadengesuch an Putin erteilten die Künstlerinnen im Vorfeld eine Absage. "Machen Sie Witze? Natürlich nicht. Eher sollte er uns und Sie um Gnade bitten", schrieb Tolokonnikowa der regierungskritischen Zeitung "Nowaja Gaseta". Eine Flucht ins Exil lehnte sie wie ihre Mitangeklagten ab.

Weltweite Proteste

Weltweit demonstrierten Menschen für eine Freilassung von Pussy Riot, darunter auch in Wien. In Moskau und Bulgarien stülpten Anhänger der jungen Frauen Denkmälern bunte Sturmhauben über, das Markenzeichen von Pussy Riot. In der ukrainischen Hauptstadt Kiew fällte eine Aktivistin der feministischen Gruppe Femen ein großes Holzkreuz mit einer Motorsäge. Die Miliz leitete ein Verfahren wegen Landfriedensbruches ein. (APA, 17.8.2012)