Neue Parkbänke und ein neuer Parkplatz in der serbischen Enklave Štrpce im Süden des Kosovo.

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 Der Ahtisaari-Plan hat für die Serben Verbesserungen gebracht – doch ohne Zugang zur Privatwirtschaft bleiben sie vom Geld aus Belgrad abhängig.

Die rote Digitalanzeige blinkt: Noch 62 freie Parkplätze. Der Parkplatz von Štrpce ist geradezu jungfräulich neu. Überhaupt ist die serbische Enklave eine Vorzeigegemeinde im Kosovo: Blumenkisterln, Parkbänke, 30 Sozialwohnungen, das Spital ist mit frischer gelber Farbe bepinselt. Nur das mit dem Parken klappt noch nicht so ganz. Die Gehsteige sind voller Autos. "Das einzige Auto, das dort auf dem Parkplatz steht, gehört wahrscheinlich Braca", sagt Milko C. grinsend. Braca ist der Spitzname für den Bürgermeister von Štrpce, Bratislav Nikolic.

Milko C., 20, hat zwei Pferde, hört gerne den Rapper "50 Cent" und möchte in Štrpce leben, obwohl er sich "nicht ganz sicher fühlt" und manchmal das Gefühl hat ein "Fremder im eigenen Land" zu sein. Trotzdem fährt der junge Serbe manchmal nach Prishtina oder ins mehrheitlich albanisch besiedelte Ferizaj zum Einkaufen, auch wenn er dabei an dem riesigen rot-schwarzen Kriegerdenkmal vorbei muss mit den martialisch marschierenden Mitgliedern der Kosovo-Befreiungsarmee UCK.

Die Sicherheitssituation und die Bewegungsfreiheit hat sich für die Serben im Kosovo in den vergangenen Jahren verbessert. Und viele Serben boykottieren nicht mehr die kosovarischen Institutionen, auch wenn es noch Misstrauen gibt. Milko C. etwa ist besorgt, dass "Braca auf die Albaner hört, die ihm vorgesetzt sind". Tatsächlich hat der Bürgermeister gute Kontakte nach Prishtina und hat jahrelang für die Amerikaner im Irak gearbeitet. 2010 ist er angetreten, den sogenannten Ahtisaari-Plan umzusetzen.

Als der Kosovo im Februar 2008 seine Unabhängigkeit erklärte, galt der Plan, benannt nach dem finnischen Diplomaten Martti Ahtisaari, als Garantie für die politische Partizipation der Minderheiten, allen voran die Serben, damit sie in der mehrheitlich albanischen Gesellschaft nicht an den Rand gedrängt werden. Die Umsetzung des Plans wurde vom Internationalen Zivilen Büro (ICO) überwacht. Mehr als vier Jahre nach der Unabhängigkeit zieht dieses Büro unter der Leitung des niederländischen Diplomaten Pieter Feith nun ab. Anfang September soll der Kosovo offiziell souverän werden. Was hat sich verändert?

Furcht vor Machtverlust

Die serbischen Gemeinden im Süden bekommen nun Geld aus Prishtina, sind aber nicht völlig in den kosovarischen Staat integriert. Milko C. fährt etwa quer durch den Kosovo nach Mitrovica, um eine Ausbildung zum Feuerwehrmann zu machen. In Nordmitrovica hat der kosovarische Staat nichts zu sagen. Aber auch das Bildungs- und Gesundheitssystem für die Serben im Süden bleibt in serbischer Hand. Und viele sind weiter vom Geld des serbischen Staats abhängig. Milko C's Vater, der Postler von Štrpce, zahlt etwa die Pensionszahlungen aus Belgrad aus. Lehrer und Ärzte in Štrpce bekommen Gehälter vom serbischen Staat und vom kosovarischen Staat - auch wenn dies dem Ahtisaari-Plan widerspricht.

Die Abhängigkeit von der öffentlichen Hand bleibt groß. 40.000 von insgesamt etwa 100.000 Kosovo-Serben erhalten irgendeine Unterstützung aus Serbien, 21.000 bekommen ein Gehalt aus Belgrad. Und obwohl es jetzt ein paar neue Jobs bei den Gemeinden gibt, die sich auch in die kosovarischen Strukturen integriert haben, ist die Minderheit noch unterrepräsentiert. Auf Staatsebene arbeiten etwa fünf Prozent Serben, in den staatlichen Betrieben jedoch nur 0,75 Prozent, auf der Ebene der Gemeinden immerhin bei drei Prozent. Zehn Prozent der Jobs sollten eigentlich von Angehörigen von Minderheiten eingenommen werden.

"Die Internationale Gemeinschaft hat eine Erfolgsgeschichte gebraucht", sagt die politische Analystin Engjellushe Morina. Der Ahtisaari-Plan sah vor, dass mehr Kompetenzen von der Zentralverwaltung auf die Gemeindeebene verschoben werden, in albanischen wie serbischen Gemeinden. Das ist auch in manchen inhaltlichen Bereichen geschehen. "Aber es gab keine finanzielle Dezentralisierung, die Gemeinden können zu wenig Steuern eintreiben und sind völlig von der Zentralverwaltung abhängig", kritisiert Morina. "Selbst wenn eine Gemeinde einen Bleistift will, muss sie sich an das Finanz- und Bildungsministerium wenden", erzählt Morina. Schuld seien die regierenden Parteien, die um Geld und Macht fürchten.

Aber auch konkrete Punkte des Ahtisaari-Plans wurden nicht umgesetzt. Die serbisch-orthodoxe Kirche verweigerte etwa die Zusammenarbeit, wenn es um das kulturelle und religiöse Erbe ging. Allerdings gibt es jenseits des Plans, erstaunliche Veränderungen. So lernen zwei Popen im Kloster von Dečani mittlerweile Albanisch, fünf haben um die kosovarische Staatsbürgerschaft angesucht.

Der politische Analytiker Krenar Gashi vom Think Tank Indep spricht von einem formellen Ende der überwachten Unabhängigkeit. SWir werden immer unter Supervision stehen, wir sind einfach ein so kleines Land." Der Kosovo habe aber gezeigt, dass er als Staat agieren könne, so Gashi. Doch auch wenn ICO nun geschlossen wird, bleiben die internationale Kfor-Truppe und die Rechtsstaatsmission Eulex im Land. Internationale Experten sitzen auch weiter in Gerichten oder in der Privatisierungsagentur. Viel wichtiger sei aber die Präszenz von westlichen Botschaften, allen voran jener der USA, die auch weiterhin die Politik im Kosovo bestimmen, so Gashi. Sogar die amtierende Präsidentin Atifete Jahjaga wurde von der US-Botschaft ausgesucht. (Adelheid Wölfl, DER STANDARD, 18.8.2012)