Moskau/Wien - Als "Wunder Gottes" hat das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Kirill I., die Ära Putin bezeichnet. Der Moskauer Patriarch ist dem russischen Präsidenten zu Dank verpflichtet. Während die Geistlichen zu Zeiten der Sowjetunion verfolgt wurden und später ein Dasein in der Bedeutungslosigkeit fristeten, begann mit dem Antritt Putins als Präsident im Jahr 2000 der gesellschaftliche Aufschwung.

Putin, der seinen Amtsantritt mit einem Gottesdienst feiern ließ, griff der Kirche unter die Arme. Der Staat finanzierte den Aufbau etlicher von den Kommunisten zerstörter Kirchen. In den nächsten Jahren sollen allein in Moskau 400 neue Kirchen entstehen. 2010 wurde zudem ein Gesetz verabschiedet, demzufolge die Kirche das Eigentum, das nach der Oktoberrevolution konfisziert wurde, zurückerhält. Die Kirche mischt inzwischen auch in der Politik mit und hält enge Kontakte zu staatlichen Institutionen. Sogar die Gründung einer eigenen orthodoxen Partei stand im Raum.

Auch persönlich haben die Geistlichen profitiert. Nicht nur Kirill, der in russischen Medien als "Tabak-Patriarch" bezeichnet wird, soll durch Tabak- und Öl geschäfte zu Reichtum gekommen sein.

Für einen Skandal sorgte jüngst ein Priester, der betrunken in einem Cabrio mit Diplomatenkennzeichen im Zentrum Moskaus einen Unfall hatte.

Mit Wahlempfehlungen für Putin und seine Partei, die von Kritikern "Partei der Gauner und Diebe" genannt wird, revanchiert sich die Kirche. Die 100 Millionen russisch-orthodoxen Gläubigen, von denen allerdings nur zehn Prozent regelmäßig in die Kirche gehen, stellen für Putin eine wichtige Wählerschaft dar. Zumal die Kirche und der Kremlchef gleiche konservative Werte teilen. (ved, DER STANDARD, 18.8.2012)