"Vielleicht - es gibt starke Hinweise dafür - verschwinden die Männer ja desto mehr aus bestimmten Berufen, je beziehungsorientierter (anstatt eher kognitiv-leistungsorientiert, wie früher der Lehrerberuf) eine Profession wird."

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In den letzten Jahren haben wir uns intensiv mit dem Fehlen von Männern in erzieherischen und sozialen Berufen befasst. Dabei muss man zwischen einem Fehlen aus geschlechterstereotyper Tradition (wie etwa beim krass unterbewerteten Frauenberuf der Kindergartenpädagogik) und dem Fehlen wegen des sukzessiven Verschwindens von Männern aus Berufen (wie etwa bei den Volksschullehrern) unterscheiden.

Bei der Recherche zu diesen Daten ist uns immer wieder auch die Medizin untergekommen, wo je nach Land und Region ebenfalls schon von einer "Feminisierung" (womit wir eine zahlenmäßige Verschiebung meinen) zu beobachten ist: An manchen deutschen Universitäten studieren schon mehr als 60 Prozent Frauen Medizin. Das ist doch etwas, wo die Diskussion um Einstiegstests gleich anders aussieht.

Was ich verstehe, ist, dass man es problematisch finden kann, wegen des Geschlechts eine "mildere" Bewertung bei einem Leistungsfeststellungsverfahren zu erhalten und damit ein besseres Ergebnis. Das scheint mir vom Sachlichen ("ein Wissenstest auf naturwissenschaftlicher Basis"), aber auch vom Rechtlichen her (Gleichheitsgrundsatz), problematisch zu sein. Warum nicht überhaupt weg mit diesen fragwürdigen Leistungstests und her mit sinnvolleren Frauenfördermaßnahmen, wenn nötig?

Diese Notwendigkeit aber verstehe ich für Österreich aufgrund der verfügbaren Daten nicht. In der letzten Übersicht der Statistik Austria studieren hierzulande 2010/11 sogar - geringfügig - mehr Frauen als Männer Medizin: Von 13.175 Studierenden gesamt sind 6601 Frauen und 6574 Männer. In Innsbruck sind nach den neuesten Daten von 2012 bei insgesamt 2603 Studierenden die Männer mit nur sechs Personen bei den Inländern und 33 Personen bei den ausländischen Studierenden im Vorteil.

Was soll also das Ganze? Wo haben da im Großen und Ganzen 18-jährige Maturantinnen schlechtere Chancen als 18-jährige Maturanten? Insgesamt sollte es doch darum gehen, bei Beseitigung von Frauennachteilen den sich mancherorts andeutenden Männerschwund aus den "Care-Berufen", also den fürsorglichen Tätigkeiten, zu denen die Medizin zunehmend zählt, zu verhindern.

Vielleicht - es gibt starke Hinweise dafür - verschwinden die Männer ja desto mehr aus bestimmten Berufen, je beziehungsorientierter (anstatt eher kognitiv-leistungsorientiert, wie früher der Lehrerberuf) eine Profession wird. Diese Entwicklung, eine einseitige Übernahme der Care-Arbeit durch Frauen, sollte weder wissenschafts- noch geschlechterpolitisch ein erstrebenswertes Ziel sein. (Josef Christian Aigner, DER STANDARD, 18./19.8.2012)