
"Schurken-Galerie": Auf der Fotoplattform Flickr veröffentlicht die britische Finanzbehörde unter "HMRC's Most Wanted" Fotos und Namen von 20 mutmaßlichen Steuerbetrügern.
London/Wien - Schon bisher verstanden es die britischen Steuerbehörden, die Bürger für ihre Suche nach Steuersündern einzuspannen. Per Hotline oder online kann jeder, der seine Nachbarn oder Kollegen verdächtigt, dem Staat seinen Obolus zu verweigern, dies bei Her Majesty's Re venue and Customs (HMRC) diskret anzeigen. Jetzt will das Finanzministerium die Bürger auch als Jagdgehilfen bei flüchtigen Steuerbetrügern gewinnen und veröffentlicht eine Liste im Internet.
Insgesamt sind es 20 Leute, die dem Fiskus viel, sehr viel Geld schulden sollen. "Die Täter haben den Steuerzahler zusammen mehr als 765 Millionen Pfund gekostet, und wir werden sie erbarmungslos verfolgen", rechtfertigt Finanzstaatssekretär David Gaucke in der Zeitung Telegraph die ungewöhnliche Aktion.
Auf der Fotoplattform Flickr finden sich unter dem Titel "HMRC's Most Wanted" zu jedem der Gesuchten Foto, Namen, Alter, Delikte und der vermutete Aufenthaltsort. Britische Medien bezeichnen den Online-Aufruf als "Schurken-Galerie".
Entschlossener Kampf
Einer der dicksten gesuchten Fische ist zum Beispiel ein britisch-pakistanischer Doppelbürger. Er soll unter anderem mehrere Tonnen Tabak illegal ins Land geschmuggelt haben. Der 44-Jährige soll sich nach seiner Flucht derzeit in Dubai aufhalten. Der Schaden zulasten des Fiskus beträgt den Angaben nach rund 200 Millionen Pfund (rund 254 Mio. Euro.)
Finanzminister George Osborne will mit der Aktion in Zeiten des härtesten Sparprogramms demonstrieren, dass Steuerhinterziehung entschlossener bekämpft werde. Doch so gut wie erhofft kommt das Ganze bei den Bürgern nicht an. Nicht nur, weil möglicherweise die Persönlichkeitsrechte der am Internetpranger stehenden Personen verletzt werden.
Unvollständigkeit
Die "Most Wanted"-Liste sei unvollständig, bemerkt der Morning Star. Es fehlten Politiker, Unternehmer oder auch Prominente. Diese würden zwar nicht nachweisbar im großen Stil Steuer hinterziehen. Sie verstünden sich aber gekonnt, Steuervermeidungspraktiken in der juristischen Grauzone anzuwenden.
So fehle etwa der Chef des britischen Mobilfunkers Vodafone, Guy Laurence, schreibt die Guardian-Kolumnistin Ellie Mae O'Hagan. Dem Unternehmen wird nachgesagt, allein bei einer Transaktion der Staatskasse sechs Milliarden Pfund Steuer vorenthalten zu haben.
Und noch etwas stößt dem kleinen Steuerzahler auf der Insel gehörig auf: Britische Investoren bringen jährlich zig Milliarden Pfund auf ausländischen Konten in Sicherheit. Hinzu kommt, dass besonders London zu einem Magnet für ausländische Superreiche geworden ist, weil der Staat ihnen großzügige Erleichterungen bei der Einkommenssteuer gewährt. Hinzu kommt, dass Großbritannien mit den Kanalinseln oder der Isle of Man weitere Paradiese für undurchsichtige Finanzmanöver im Angebot hat. (kat, DER STANDARD, 20.8.2012)