Kaum denkt die Europäische Zentralbank (EZB) über Interventionen zugunsten Spaniens und Italiens nach, treten deutsche Währungshüter auf den Plan und warnen davor, die Geldschleusen zu öffnen. Ihr Argument: Wenn die EZB Staatsanleihen kauft, nimmt sie den Marktdruck von Rom und Madrid, womit die Reformbemühungen in beiden Ländern zum Erliegen kommen würden.

Diese Argumentation ist zunächst einmal überheblich, weil Italienern und Spaniern damit indirekt Faulheit vorgeworfen wird. Tatsächlich haben die Regierungen in Rom und Madrid jeden Grund, Reformen einzuleiten, und zwar ganz gleich, wie hoch die Zinsen am Anleihenmarkt sind. In beiden Ländern ist die Arbeitslosigkeit auf einem Rekordhoch (Italien: 10,8 Prozent, Spanien: 24,8 Prozent), und die Wirtschaft schrumpft. Wachstum anzukurbeln und die Industrie wettbewerbsfähig zu machen - sprich: die Krise zu überwinden - ist also im Eigeninteresse beider Länder.

Doch für Staatensanierungen gibt es keine Blaupause - und hier liegt der zweite Schwachpunkt der deutschen Argumentation. Spanien hat ein 37-Milliarden-Euro-Sparpaket aufgelegt. Bisher hat das nur dazu geführt, dass die spanische Wirtschaft erst recht schrumpft. In Italien, wo Steuern angehoben wurden und der Arbeitsmarkt flexibilisiert wird, ist es ähnlich. Wenn die EZB also dafür sorgen kann, dass die Anpassung in den Südländern nicht übereilt stattfinden muss, wäre das ein großer Fortschritt. (András Szigetvari, DER STANDARD, 20.8.2012)