Herbert Schauer hat eines der wenigen Länder dieser Welt besucht, das touristisch noch beinahe ein weißer Fleck auf der Landkarte geblieben ist

Bangladesch steht nicht eben für Überfluss. Zweierlei gibt es hier jedoch reichlich: Menschen und Wasser. Vier Wochen, in denen ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln durchs Land gereist bin, haben mich um zahlreiche Eindrücke reicher gemacht.

Foto: Herbert Schauer

Die hohe Dichte sorgt oft für Konfrontation. Auf der Kean Bridge von Sylhet, Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, kennzeichnet ein derartiges Gedrängel nicht etwa die Stoßzeit, sondern den täglichen Normalzustand. Mein Bemühen, einen Rikscha-Fahrer zu finden, der mich über die Brücke ins Hotelviertel bringt, bleibt erfolglos.

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Weil manche Flüsse mehrere Kilometer breit sind, läuft vieles über Wasser. Was wohin und wie weit geschippert wird, ist höchst unterschiedlich. Diese Fähre verbindet die Städte Khulna und Dhaka über eine sehr breite Stelle des Delta-Hauptarmes, der hier Padma heißt.

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Die Vielfalt der Fahrzeuge lässt wenig zu wünschen übrig. Manche stammen noch aus der Kolonialzeit, wie die legendäre Rocket. Dieser Schaufelraddampfer bringt mich während der Nacht weit in den Süden, nach Barisal. Eine Zweierkabine nur für mich alleine - das ist purer Luxus.

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Andere Vehikel sind jünger, schauen aber dennoch alt aus. Schiffs-Unglücke auf seinen zahlreichen Flüssen bringen Bangladesch immer wieder in die internationalen Schlagzeilen. Der tapferen Besatzung hier wäre zu wünschen, dass diese Fahrt zum nächsten Schiffsfriedhof führt.

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Für die kleinen Dörfer und Städte entlang der zahlreichen Flussläufe bringt das Wasser Leben und Tod: Versorgung, die in vielen Gebieten nicht anders möglich ist als per Schiff und Überschwemmungen, die Bangladeschs Landfläche im Jahresrhythmus beträchtlich verändern und immer wieder Millionen Einwohner bedrohen.

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Denn der Großteil des Staatsgebiets ist ein riesiges Flussdelta; das größte der Welt. Drei der wasserreichsten Flüsse Südostasiens münden hier gemeinsam in den Golf von Bengalen: Brahmaputra, Ganges und Meghna. Das Land dazwischen: Inseln im Strom.

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Diese glänzen nicht durch Palmenstrände und Touristen-Attraktionen sondern durch extreme saisonale Veränderungen: Wasser und Land ringen ständig um die Vorherrschaft.

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Der größte Teil der Bevölkerung verfügt über ganz geringen materiellen Besitz. Das einzige technische Gerät im Haushalt ist - wenn überhaupt - ein Fernseher. Waschmaschine ist mir keine einzige untergekommen, Wäscher dagegen sieht man an jedem Tümpel.

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Das arme Land wird regelmäßig von Naturkatastrophen heimgesucht. Im November 2007 war es der Zyklon Sidr, der in verschiedenen Landesteilen wütete und eine fünf Meter hohe Sturmflut verursachte. Auch der Mangrovenbaum-Bestand in den als Weltnaturerbe ausgezeichneten Sundarbans (wörtlich "Schöner Wald") wurde schwer beschädigt. Im Jänner 2012 ist das Ausmaß des Schadens noch immer unübersehbar.

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Im Nationalpark der Sundarbans treffe ich auf eines der noch spärlichen Tourismus-Projekte. Auf kleinen Schiffen mit Übernachtungsmöglichkeit versucht man die meist heimischen Besucher kulinarisch zu verwöhnen und zu unterhalten. So nebenbei soll ihnen auf moderierten Mini-Landausflügen die Wildnis ein Stück näher gebracht werden.

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Hinter dem ramponierten Busfenster fährt man oft über scheinbar endlose Kilometer  mit gleicher Aussicht. Beste Bedingungen bietet das flache, feuchte Land für die Landwirtschaft. Die Reisfelder erstrecken sich bis zum Horizont, denn Reis ist die wichtigste Versorgungsgrundlage der hungrigen Bevölkerung.

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Entlang der hügeligen Ostgrenze wird aus der amphibischen Landschaft echtes Festland. In der Region rund um Srimangal wird Tee angebaut und mittlerweile sogar exportiert. Bangladesh zeigt große Ambitionen eine Teenation zu werden.

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Einige Kilometer östlich der Stadt liegt auf einer Fläche von 12,5 Quadratkilometer der 1996 gegründete Lawachara National Park. Ganz- oder halbtägige Wanderungen mit Eco-Guides sind eine tolle Möglichkeit dem üblichen Menschengewühl zu entfliehen. Mehrere Trails führen durch den dichten Dschungel. Hier lebt der einzige Menschenaffe des indischen Subkontinents, der vom Aussterben bedrohte Hoolock Gibbon. Seine Schreie sind Respekt einflößend. Das Glück, ihn vor die Kamera zu bekommen, habe ich nicht.

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Auf den Kuppen der Hügel, am Rande des Parks und der Umgebung, leben mehrere ethnische Minderheiten. Eine von ihnen sind die Khasias. Großzügig gibt uns das Oberhaupt eines ihrer Dörfer die Erlaubnis für einen Kurzbesuch inklusive Fotos. Sie sehen burmesisch aus, verständigen sich in einer Mon-Khmer Sprache und leben abseits der Mehrheits-Gesellschaft. Ihren Lebensunterhalt bestreiten sie unter anderem durch den Verkauf von Betel-Blättern.

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Ein Hauptmerkmal der Deltalandschaft sind die Ziegeleien. Davon gibt es tausende. Die Arbeitsbedingungen sind erschreckend und die Herstellung verpestet die Luft. Stark schwefelhaltige Steinkohle aus Indien wird zum Brennen der Ziegel verwendet. Das erzeugt einen Co²-Ausstoß von drei Millionen Tonnen, immerhin fünfzig Prozent der landesweiten Gesamtmenge. In jüngster Zeit gibt es einige Anlagen, die ausgerüstet sind um umweltfreundlicher zu produzieren.

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Bangladesch ist nicht nur das dichtest besiedelte Land der Erde, es besitzt auch eines der größten Stadtmonster. Die Metropolregion Dhaka beherbergt 15 oder 20 Millionen Einwohner. Genau weiß man nur eines: die Tendenz ist stark steigend. Auch hier bietet das Wasser zahlreiche Transport-Möglichkeiten. Dutzende kleine private Fährboote pendeln auf dem Buriganga River zwischen den einzelnen Stadtteilen hin und her.

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Immer wieder beeindruckend sind die Kontraste zwischen Wasser und Land, zwischen urban und traditionell, zwischen gestern und morgen. Aber nicht nur Wasserfahrzeuge sind allgegenwärtig.

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Fahrradtaxis, den sogenannten Rikschas, begegnet man im ganzen Land. Der Fuhr-Lohn ist gering, die Verfügbarkeit groß. Reparaturwerkstätten gibt es in jeder Stadt. Diese bieten nicht nur technischen Service. Wer genug Geld hat, kann hier sein Fahrzeug mit Ornamenten und Bildern schmücken lassen.

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600.000 (!) Rikschas unterstützen das Chaos auf den Straßen der Hauptstadt. Ihre Reichweite bleibt meist auf ein Stadtviertel beschränkt. Viele sind um teures Geld nur gemietet; das kann einen Rikscha-Walla gehörig in die Schuldenfalle treiben. Eine neue kostet zwar nur wenige hundert US-Dollar, aber bei einem jährlichen Durchschnittseinkommen von unter 500 Dollar ist das für viele unerschwinglich. Kein Wunder, dass ausgerechnet hier Muhammad Yunus in den 1970er-Jahren auf die Idee der Mikrokredite gekommen ist.

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In einem armen Land wie Bangladesch gibt es nicht für jeden Arbeit. Man muss schauen, wo man bleibt. Viele entwickeln ihr eigenes kleines Business. In dieser Teestube werde ich auf einen Chai eingeladen und natürlich Länge mal Breite ausgefragt.

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Andere ziehen umher, um über die Runden zu kommen, wie dieser Wandermusiker in Sylhet ...

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... oder verkaufen Naturschwämme zwischen parkenden Autos.

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Bettler leben noch härter und: Sie sind allgegenwärtig. Dieser Mann liegt den ganzen Tag auf einer stark befahrenen Brücke in der prallen Sonne. Damit er mehr Umsatz macht, wurden ihm vermutlich schon als Kind die Gliedmaßen verrenkt. Wer ihn bringt und abholt und ob er seine Tageslosung behalten darf ist mir nicht bekannt.

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Eine bedeutende Rolle im Alltag des jungen Staates spielt der Islam. Dem Glauben verdankt das ehemalige Ostpakistan schließlich seine Unabhängigkeit. Unüberbrückbare religiöse Differenzen im damaligen Britisch-Indien führten 1947 zur Teilung und es entstand Pakistan als eigener Staat - bestehend aus West- und Ostpakistan. 1971 erlangte dann Ostpakistan unter dem Namen Bangladesh seine Souveränität.

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Das Grabmal von Hazrat Shah Jalal in Sylhet ist ein besonderes Heiligtum des jungen Staates. Wo der Sufi um 1300 hergekommen war, darüber streiten die Historiker. Über den Erfolg seiner Mission besteht hingegen kein Zweifel. Er verbreitete den Islam im östlichen Bengalen, dem heutigen Staat Bangladesh. Das gewaltige Tor des Haupteingangs zu seiner Ruhestätte ist immer voller Pilger.

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Eine weitere Attraktion ist der große Teich direkt vor dem Schrein. Zahlreiche Pilger benetzen mit seinem Wasser ihre Füße, oder füttern die heiligen Welse. Diese sind der Legende nach verwandelte schwarze Magier jenes Hinduherrschers Raja Govinda, der zumindest der Legende nach von Shah Jalal besiegt wurde.

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90 Prozent der Bevölkerung Bangladeschs sind muslimisch. Dennoch merkt man an manchen Orten die Nachbarschaft zu Indien ganz deutlich. Hindus machen immerhin zehn Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Der Shankaria Bazar - auch Hindu Street genannt - in der Altstadt von Dhaka, beherbergt viele Shankaris (hinduistische Handwerker), die in Kleinwerkstätten Lenkdrachen, Grabsteine oder Schmuck herstellen. Aber auch Väter, die sich stolz mit ihren hübschen Töchtern von Touristen fotografieren lassen.

Foto: Herbert Schauer

Sogar die den Hindus heiligen Kühe dürfen in aller Ruhe ihrer Wege gehen. Ihre Gelassenheit inmitten all der Hektik hat fast schon etwas Begnadetes. Mir als überfordertem, westlichen Touristen zeigen sie, was man in diesem übervölkerten Land zu lernen hat. (Herbert Schauer, derStandard.at, 00.00.2012)

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