Innsbruck - Das Bundesheer hat nach Missbrauchsvorwürfen gegen Soldaten am Montag eine eigene Untersuchungskommission eingerichtet. Ein ehemaliges Kind aus dem Jugendheim St. Martin in Schwaz hatte ausgesagt, vor rund 40 Jahren als 16-Jährige mehrmals von Soldaten bei einem Faschingsfest vergewaltigt worden sein. Die Heiminsassin berichtete, dass sie am Faschingsdienstag beim Maskenball 1968 getanzt habe. Unter den Ballgästen seien auch Offiziere und Unteroffiziere des Bundesheeres gewesen. Dann sei sie von einer Erzieherin in ein Nebenzimmer gerufen worden. Dort sei sie missbraucht worden.

Tirols Militärkommandant Herbert Bauer, Leiter der Kommission, zeigte sich erschüttert und versprach Aufklärung. Derzeit koordiniere er die Heereskommission mit Staatsanwaltschaft und der Untersuchungskommission "Arbeit in Tiroler Heimen" zusammenarbeite.

Schwierige Aufklärungsarbeit

Mit einer Hotline (0810 300 490) für Betroffene werden Zeitzeugen jetzt gesucht. Die Aufklärungsarbeit gestalte sich sehr schwierig. Es seien kaum Unterlagen in St. Martin zu finden. Eine Frau habe sich jedoch bereits bei der Hotline gemeldet, sagte Bauer: Sie habe in den 1960er- und 1970er- Jahren in der Wäscherei von St. Martin gearbeitet. Umliegende Garnisonen hätten damals ihre Wäsche zur Reinigung dorthin gebracht.

Für Horst Schreiber, Historiker an der Universität Innsbruck, gestalte sich gerade die Aufarbeitung von sexuellen Missbrauchsfällen schwierig. Ungeachtet der Tat stehe immer Aussage gegen Aussage. Zeugen seien gerade in diesen Fällen enorm wichtig. Eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Quellen aus allen Kinderheimen sei unbedingt notwendig.

Erst vergangene Woche wurden Arbeitseinsätze von Jugendlichen bei Unternehmen wie Swarovski, Darbo und Eglo-Leuchten publik. Die für diese Arbeitsleistungen bezahlten Löhne sollen den damaligen Jugendlichen allerdings vorenthalten worden sein, hatten Betroffene erzählt. Die Unternehmen hatten daraufhin klargestellt, dass sie auch in den 1960er- und 1970er-Jahren Löhne bezahlt hätten. Swarovski kündigte daraufhin an, die eigene Firmengeschichte von einem unabhängigen Historiker aufarbeiten lassen zu wollen. (Verena Langegger, DER STANDARD, 21.8.2012)