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Ein griechischer Polizist bei einer Personenkontrolle im August in Athen. Die Behörden tauften ihre jüngste Razzia gegen Migranten nach Xenios Zeus, dem Gott der Gastfreundschaft.

Foto: EPA/ALKIS KONSTANTINIDIS

Bevor Motaher seine Perlenkettchen anbietet, kommt der Grieche mit dem verzweifelten Gesicht, der Armbanduhren feilbietet. Nach Motaher, dem kleinen Mann aus Bangladesch, folgt in der Regel ein junger Obdachloser in Armeehosen, der um Geld bittet. So geht das jeden Tag in dem Café in Pangrati, einem bürgerlichen Viertel in Athen, nicht weit von Stadtpark und Parlament. Sie machen alle kein Geschäft.

Leicht war es nie in Athen für Motaher, die ganzen eineinhalb Jahre über, seit er hier gelandet ist. Aber jetzt fürchtet er auch noch um sein Leben. "Nachts gehe ich nicht mehr auf die Straße", sagt der 30-Jährige - "wegen der Männer auf den Motorrädern".

Gesehen hat er sie schon einige Male, so erzählt Motaher, und von ihnen gehört noch sehr viel öfter. Einwanderer leben gefährlich im Krisenstaat Griechenland. In Athen machen Rechtsextreme auf Motorrädern Jagd auf Ausländer. Fast 500 rassistisch motivierte Angriffe in den vergangenen sechs Monaten hat ein griechischer Verein für Einwanderer, die Migranten-Arbeiterunion, gezählt. Motaher fühlt sich den Totschlägern ausgeliefert. "Sie wollen uns umbringen", sagt er.

Als an einem der vergangenen Wochenenden ein 19-jähriger Iraker nachts auf der Straße von einer Gruppe von Angreifern erstochen wurde, meldete sich erstmals auch der Justizminister zu Wort. Das "ernste Flüchtlingsproblem des Landes und seine Folgen können nicht mit sinnloser Gewalt beantwortet werden", sagte Antonis Roupakiotis.

Innenstädte "zurückerobern"

Griechenlands Regierung ist in der Defensive. Auf eine halbe Million wird die Zahl illegaler Einwanderer in dem Land geschätzt. Er werde die Städte von den Migranten "zurückerobern", versprach Premierminister Antonis Samaras. Mit der Invasion durch die Dorer in der Antike verglich der Minister für Zivilschutz den Strom der Immigranten nach Griechenland.

Zynisch taufte die Polizei eine seit nun zwei Wochen dauernde Razzia gegen Einwanderer "Xenios Zeus", dem Gott der Gastfreundschaft. Verbindungen zwischen der Faschistenpartei Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte) und den Angriffen auf die Immigranten werden offenbar fallweise untersucht. Eine Anfrage des Standard beantwortete die griechische Polizei vorerst nicht; dafür sei eine Woche Bearbeitungszeit notwendig, hieß es. Als Anfang Juni eine Gruppe von Motorradfahrern festgenommen wurde, die Jagd auf Ausländer gemacht hatte, war auch die Tochter des Chrysi-Avgi-Chefs Nikolaos Michaloliakos dabei. Die Verdächtigen wurden wieder freigelassen.

Ein brutaler Raubüberfall hat die öffentliche Stimmung gegen Immigranten noch aufgeheizt: Ein 19-jähriger Pakistani hat zugegeben, auf der Insel Paros ein griechisches Mädchen mit einem Stein niedergeschlagen zu haben. Die 15-Jährige wurde zudem vergewaltigt. Als der Verhaftete im Hafen von Piräus landete und in ein Gefängnis überfuhrt wurde, standen Mitglieder von Chrysi Avgi schon am Kai bereit.

Die Einwanderer seien jetzt in der großen Wirtschaftskrise ein leichtes Ziel, sagt Klio Nikolopoulos, eine Anwältin, die auf Asylfragen spezialisiert ist. Die Massenrazzia gegen Immigranten kritisiert sie: "Die Regierung macht die Dinge nur schlimmer. Sie will populär sein und den Leuten zeigen, dass sie etwas tut."

Mehr als 7000 Ausländer wurden bisher festgenommen, 1700 bisher in Sammellager gesteckt, wo sie angeblich auf die Abschiebung warten. Die Anwältin glaubt den Ankündigungen der Regierung nicht. "In drei bis sechs Monaten werden sie wieder freigelassen, und alles beginnt von vorn."(Markus Bernath, DER STANDARD, 21.8.2012)