Aus strategisch-taktischer Sicht kann man den Sozialminister ja irgendwie verstehen. Die Arbeitslosenzahlen sind auch vier Jahre nach Ausbruch der Weltwirtschaftskrise noch immer relativ hoch. Dass die Lage in den anderen EU-Staaten wesentlich trister aussieht, spiegelt sich in der Wahrnehmung der Österreicher kaum wider. Hoch ist eben hoch.

Vor allem in der Bundeshauptstadt Wien, in der viele Rudolf Hundstorfer noch immer politische Ambitionen nachsagen, war die endgültige Öffnung des Arbeitsmarktes für die neuen EU-Staaten deutlich spürbar. Dazu kommt: Die FPÖ kann mit ihrer Kritik an der steigenden Zahl ausländischer Arbeitskräfte auch heute noch in sozialdemokratischen Wählerschichten punkten.

Das alles ändert aber nichts daran: Hundstorfer agiert kurzsichtig, wenn er aus Angst vor der schlechten Nachrede Bachelor-Absolventen aus Nicht-EU-Staaten die Rot-Weiß-Rot-Card verweigert. Diese Menschen sprechen in aller Regel gut bis perfekt Deutsch. Sie sind jung, und wenn sie im Land bleiben wollen, meistens auch motiviert.

Wenn es darum geht, die Absolventenzahlen an den Unis und Fachhochschulen in die Höhe zu treiben, sind Bachelor-Abschlüsse herzlich willkommen. Es wäre kindisch, sie am Arbeitsmarkt nicht ebenso herzlich zu empfangen. Eine Gefahr für das Funktionieren des Arbeitsmarktes stellen die ausländischen Bachelor-Absolventen sicher nicht dar. (Günther Oswald, DER STANDARD, 21.8.2012)