Elektromobilität bedeutet nicht, einfach einen Elektromotor in ein Auto einzubauen. Darum hat Renault mit dem Twizy ein vollkommen neues Fahrzeug entwickelt, sportlich, pur, elektrisch. Probleme bleiben aber

Inzwischen steht fest: Die Elektromobilität feiert keinen Hype, sie revolutioniert nicht von heute auf morgen unsere Art der Fortbewegung. Da braucht man nichts schönzureden. Elektromobilität, das bedeutet heute wie gestern Zug, U-Bahn, Straßenbahn.

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Die Gründe, warum die Autos mit dem leisen und geruchslosen Antrieb kein Kassenschlager sind, liegen auf der Hand - oder werden notfalls an den Haaren herbeigezogen. Reichweite, Stauraum, Emissionen bei der Stromerzeugung und der Akkuherstellung, Ladeinfrastruktur wie ein emotionsloses Fahrgeräusch stehen dabei ganz oben auf der Liste.

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Renault hat sich trotzdem vor einigen Jahren in sein Lastenheft geschrieben, bei der E-Mobilität federführend mitmischen zu wollen. Und das tun sie auch. Neben der Elektrifizierung normaler Automobile - denken wir an den Fluence - hat man in weiser Voraussicht auch gleich neue Fahrzeugkonzepte entwickelt.

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Das Hauptaugenmerk legte man dabei auf die kurzweilige Fortbewegung im urbanen Bereich mit kurzen Wegen, wenig Platz und niedrigen Geschwindigkeiten. Herausgekommen ist dabei der Twizy, eine Mischung aus Auto und Roller, ein Elektro-Gokart mit Dach. Es gibt keine Heizung, keine Klimaanlage, kein Radio, kein unnötiger Schnickschnack, der Strom aus den Akkus saugt.

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Mittendrin statt nur dabei
Durch die offenen Flügeltüren sitzt man irgendwie im Freien, wird aber trotzdem nicht nass. Reduzierung auf das Wesentliche kennen wir von echten Sportwagen. Da fliegt auch alles raus, was unnötig auf die Waage drückt.

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Diesen sportlichen Anspruch unterstreichen auch Antrieb und Fahrwerk. Der Twizy ist hart, direkt, agil und mit seinen maximal abrufbaren 18 PS ganz schön kräftig. Das Drehmoment von 57 Newtonmeter, das jederzeit anliegt, schießt den Twizy von der Ampel regelrecht weg. Mitschwimmen? Von wegen. Auf den Gasfuß achten heißt die Devise, denn sonst hagelt es schnell Strafen wegen Schnellfahrens.

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Zumindest im Twizy 80. Der hat eine Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h, anders als der Twizy 45. Dabei klingen die 6,1 Sekunden, die er für den Sprint von 0 auf 45 km/h braucht, gar nicht so fantastisch. Aber da schlägt eben das puristische Fahrgefühl zu. In der Oberklasse fühlen sich 250 km/h weniger erdig und spektakulär an als eine legal durchfahrene 30er-Zone im Twizy.

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Spektakulär finden den Twizy auch Passanten. Sie verrenken sich den Hals, wenn er vorbeizwitschert. Väter, die ihren Söhnen verbieten, mit dem "nackerten Finger" auf jemanden zu zeigen, vergessen ihre Vorbildwirkung. Jeder scheint den Twizy zu kennen. Und steht er frisch poliert auf einem Parkplatz, hat er nach zehn Minuten mehr Fingerabrücke auf dem Lack, als in einem besseren Krimi abgenommen werden.

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Aber warum sehen wir ihn dann so selten, den Twizy, wenn er so begeistert? Er scheitert an den gleichen Vorzeichen wie die anderen Elektromobile auch. Da ist vor allem die Skepsis, die Scheu. Bis zu 100 Kilometer weit kommt man mit dem Twizy. Ambitioniert über die Stadtautobahn getreten, geben die Akkus aber auch schon einmal nach 55 Kilometern auf. Im Test fuhren wir über 80 Kilometer weit. Das reichte, um ihn nicht jeden Tag an die Steckdose hängen zu müssen.

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In weniger als vier Stunden sind die Akkus an der Haushaltssteckdose wieder aufgeladen. Das geht sich über Nacht also locker aus. Nur da beginnt es schon zu haken. An keinem Ziel, das wir anfuhren, fanden wir eine Steckdose vor. Nicht vorm Gasthaus, nicht vorm Innenstadtgeschäft und nicht einmal in der eigenen Garage, im Keller unter der Wohnung. Was nützt es dann, wenn ich während einer Besprechung genug Ladung in die Akkus bringen könnte, um das nächste Ziel zu erreichen, wenn die Steckdose fehlt?

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Die baulich aufwändigeren Sprit-Tankstellen bilden ein dichtes Netz. Steckdosen im Freien hingegen sind so selten, dass man meinen möchte, man müsste sie erst noch erfinden.

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Was bleibt, ist die Angst, nicht mehr nach Hause zu kommen. Und dann lässt man den Twizy nicht erst zu Hause, sondern gleich beim Händler stehen. Auf der Strecke bleiben die sinnvolle Mobilität und der Fahrspaß. (Guido Gluschitsch, AutoMobil, DER STANDARD, 17.8.2012)

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