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Usi Dayan (Mi.) versichert im Interview, Premierminister Benjamin Netanjahu (re.) und Verteidigungsminister Ehud Barak würden mit ihren Angriffsplänen nicht bluffen.

Foto: AP/Bality

Im Atomstreit mit dem Iran drängt der frühere israelische Vizegeneralstabschef zum Handeln. "Jetzt ist die Zeit für Maßnahmen", sagt Usi Dayan im STANDARD-Interview. US-Präsident Barack Obama müsse dem Iran ein Ultimatum für Verhandlungen noch vor der US-Wahl stellen und mit einem Militärschlag drohen. Die Warnungen der Regierung seien kein Bluff, sagt Mosche Dayans Neffe im Gespräch mit Ben Segenreich. "Israel könnte handeln, als letzte Wahl."

STANDARD: Wieso redet man in Israel jetzt plötzlich wieder so viel über einen Angriff auf den Iran? 

Dayan: Erstens, weil die Zeit rasch ausläuft - Iran nähert sich rasant einer Nuklearkapazität. Der zweite Grund sind die Wahlen in den USA. Ein nuklearer Iran wäre eine globale Bedrohung. Jetzt ist die Zeit für Maßnahmen. Jeder möchte, dass die USA handeln, aber wir wissen nicht, ob sie handeln werden. Ich habe schon vor einem Jahr empfohlen, dass Washington eine Zeitgrenze für die Verhandlungen festlegen soll, die vor den Wahlen liegen muss. Das ist nicht geschehen.

STANDARD: Meinen Sie, dass Israel nur noch 2012 den Iran stoppen könnte, und 2013 wäre es zu spät?

Dayan: Wir ziehen vor, dass die Amerikaner das machen, denn sie haben viel mehr Möglichkeiten als der kleine Staat Israel. Wenn wir angreifen und etwas Zeit gewinnen, macht es einen großen Unterschied, ob wir das jetzt tun oder in einem Jahr. Die USA können sagen, warten wir bis 2013, denn sie können über eine lange Zeitspanne sehr hart zuschlagen, mit einer großen Masse von Flugzeugen. Verglichen damit könnte Israel dem Iran nur einen Stich versetzen. 

STANDARD: Will Israel nicht vielleicht mit den Drohungen Präsident Obama zum Handeln zwingen, weil das anscheinend das einzige Mittel ist, die iranische Bombe zu verhindern? 

Dayan: Es ist das bessere Mittel. Das Ziel ist es, den Iran zu treffen, nicht Obama zu aktivieren. Aber wenn Obama die Führung übernimmt und viel klarer wird, dann könnte das diese Krise beenden. Angenommen, Obama sagt, wir stellen ein Ultimatum an Teheran: Wir können ein paar Wochen verhandeln, aber wenn es bis zu einem gewissen Datum keine Einigung gibt, dann schlagen wir los. Das würde eine israelische Entscheidung zum Angriff viel schwerer machen. 

STANDARD: Manche sagen, mit den ständigen Warnungen vor dem Iran wollen Premier Netanjahu und Verteidigungsminister Barak nur ablenken, etwa von den Sozialprotesten und dem Palästinenserproblem. 

Dayan: Das ist Unsinn. Wir versuchen seit langem, die Welt zu alarmieren, und sagen, schaut, wir nähern uns hier einer globalen Krise. Im letzten Jahr ist das auch gelungen, aber jetzt wird die Zeit knapp. Ich kenne Netanjahu und Barak persönlich sehr gut, wir haben lange zusammen in derselben Spezialeinheit gedient. Sie bluffen nicht. Sie sind sehr besorgt und sie wissen, dass das eine entscheidende Zeitspanne für Israel sein kann. Israelis sind eben sehr sensibel, wenn jemand verspricht, sie von der Erdoberfläche zu tilgen. Israel könnte handeln, als letzte Wahl, wenn alle anderen Alternativen ausgeschöpft sind. 

STANDARD: Ein Angriff auf den Iran würde wahrscheinlich einen Krieg auslösen, der für Israels Zivilbevölkerung sehr schmerzhaft sein könnte. Will Israel da nicht eine Medizin verwenden, die schlimmer wäre als die Krankheit? 

Dayan: Ganz und gar nicht. Stellen Sie sich einen nuklearen Iran vor. Terrororganisationen würden unter dem Schutz eines nuklearen Schirms stehen, andere Länder würden den "nuklearen Ausgleich" anstreben. Wenn wir angreifen, was wäre die iranische Reaktion? Sie können die Hisbollah und die Hamas aktivieren, und es gibt iranische Raketen. Aber unsere Verteidigung ist sehr gut. Wenn wir nichts tun, werden wir vor den gleichen Fragen und Entscheidungen stehen wie jetzt, aber dann gegenüber einem nuklearen Iran - und das wird eine viel schwierigere Situation sein. (Ben Segenreich, DER STANDARD, 22.8.2012)