Das Zentrosom ist eine große Unbekannte. Denn obwohl es sich unter dem Mikroskop gut beobachten lässt, ist über seine molekularen Bestandteile noch wenig bekannt. So beschäftigt sich Start-Preisträger Alexander Dammermann seit mehr als zehn Jahren mit dieser wichtigen Struktur des Zellskeletts und will nun grundlegende Fragen zu dessen Aufbau und Funktion beantworten: etwa wie Zentrosomen zur Basis von Zilien werden und wie diese das Schicksal einer Zelle beeinflussen können.

Dazu muss man wissen: Tierische Zellen haben ein flexibles Skelett zur räumlichen Organisation lebenswichtiger Prozesse. Wichtiger Spieler, wenn nicht gar Dirigent des Zellskeletts ist das Zentrosom. Dieses Zellorgan sorgt unter anderem für die Aufteilung der Chromosomen, wenn sich die Zelle teilt. Des weiteren ist das Zentrosom am Aufbau von Zilien beteiligt, haarähnlichen Fortsätzen, mit denen sich die Zelle fortbewegt (z. B. im Fall von Spermien), die Atemwege reinigt (z. B. in der Lunge) oder Informationen über ihre Umgebung sammelt.

"Die genetischen Grundlagen vieler zellulärer Strukturen und Prozesse wurden erfolgreich an Hefe erforscht, aber ihnen fehlen Zentrosomen und Zilien. Gewebekulturen erwiesen sich in diesem Bereich als ungeeignet. Erst 2000 wurde der Fadenwurm C. elegans als zuverlässiges Modell etabliert", sagt Dammermann, seit 2010 Junior Group Leader an den Max F. Perutz Laboratories der Universität Wien und Medizinischen Universität Wien.

Die Arbeit seiner Forschungsgruppe basiert auf Screenings des gesamten Wurm-Genoms. Dabei wurde jedes Gen einzeln ausgeknockt und überprüft, welche Prozesse nicht mehr funktionieren. "Wir wissen, dass der Aufbau der Grundstruktur des Zentrosoms nur sechs Proteine benötigt", erläutert der 37-jährige gebürtige Deutsche. Seine Arbeitsgruppe wird Zentrosomen und Zilien live unter dem Mikroskop beobachten und versuchen, Teile des Zentrosoms auch im Teströhrchen aufzubauen. Der größte Vorteil des Start-Preises ist für ihn "die Langfristperspektive von sechs Jahren. Da haben wir nicht so einen Druck, dass alle Experimente gleich funktionieren müssen. Wir können mehr riskieren, statt nur auf Nummer sicher zu gehen."

"In meiner Familie sind alle Ärzte. Sie behandeln die Krankheiten der Patienten nach bestem Wissen. Wenn man eine Krankheit verstehen will, muss man aber eigentlich Biologie machen. Das war meine Motivation", erklärt der Zellbiologe. Es ist bekannt, dass einige Krankheiten (z. B. Mikrozephalie, eine Schädelfehlbildung) durch Fehlfunktionen des Zentrosoms bedingt sind.

Aufgewachsen ist Dammermann in Hamburg und Unterfranken, ging aber mit 16 ins Internat nach England und anschließend nach Cambridge studieren. Vor dem PhD-Studium an der University of Edinburgh gönnte er sich ein Jahr "Auszeit" am Weizmann-Institut in Israel. Seine Postdoc-Zeit verbrachte er in San Diego.

Während er früher wochenlang in Südamerika, Südafrika, im Nahen Osten oder Nepal unterwegs war, beschränkt er sich heute auf "Konferenztourismus". Er interessiert sich für Kunst und Kultur, ist derzeit aber froh, wenn sich nach dem Zwölf-Stunden-Arbeitstag noch ein Bier mit Kollegen im Museumsquartier ausgeht. (Astrid Kuffner/DER STANDARD, 22. 8. 2012)