Josef Muchitsch zum "Pfuscher-Unwesen" in Österreich: "Das Problem besteht eher bei den Einfamilienhäusern, wo von Pfuscherpartien in wenigen Tagen der Estrich, die Fliesen, die Malerarbeiten erledigt werden und die dann wieder von der Bildfläche verschwinden. Hier warnen wir: Hände weg von diesen günstigen Anbietern."

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Josef Muchitsch ist Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz und auch einer der maßgeblichen Proponenten der "Initiative Umwelt + Bauen", die sich für die Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung einsetzt. Dass Wohnen politisch kein großes Thema ist, versteht er auch als SPÖ-Nationalratsabgeordneter nicht so wirklich. "Welche Partei nimmt sich endlich dieser Thematik an? Ich sehe derzeit leider keine. Auch nicht meine", bekennt er im derStandard.at-Interview. Warum er glaubt, dass seine jüngste Forderung nach "Hitzefrei ab 35 Grad" für Bauarbeiter kommen wird, erklärt er im Gespräch mit Martin Putschögl.

derStandard.at: Herr Muchitsch, es heißt immer, die österreichischen Bauarbeiter seien zu wenig ausgebildet für die neuen Gebäudekonzepte wie das Passivhaus etc. Sie kommen aus der Praxis, sind gelernter Maurer, haben dann die Bauhandwerkerschule gemacht, sind staatlich geprüfter Bauleiter, kennen also die Situation gut. Was kann man tun?

Muchitsch: Im internationalen Vergleich sind unsere Bauarbeiter top ausgebildet. Bei internationalen Lehrlingswettbewerben küren wir Europa- und Weltmeister in unseren Berufsgruppen. Es gibt sehr viele Schulungsaktivitäten in den Wintermonaten in allen Bundesländern, wo Fachkräfte auf neue Baustoffe und -systeme sowie ökologisches und ökonomisches Bauen geschult werden.

Wir haben einen schwindenden Anteil an un- und angelernten Bauarbeitern. 63 Prozent aller 130.000 Beschäftigen am Bau haben den Status "Facharbeiter", "Vorarbeiter", "Hilfspolier" oder "Lehrling". Nur mehr 37 Prozent sind "angelernte Bauarbeiter" oder "Hilfsarbeiter". Und dieses Verhältnis sinkt weiter, weil wir ganz bewusst auch in den nächsten Wintersaisonen Qualifizierungsmaßnahmen anbieten, ganz verstärkt auch für angelernte und ungelernte Bauarbeiter. Die klassische Mischmaschine wird es auf der Baustelle in Zukunft nämlich noch weniger geben. Es wird mehr mit Silos und Fertigmörtel und Fertigbeton gearbeitet als je zuvor. Im Klartext: Die Hilfsarbeiter haben in Zukunft in der Bauwirtschaft immer weniger Chancen, dass sie ihren Arbeitsplatz behalten.

derStandard.at: Aber bei 37 Prozent ist immer noch mehr als jeder dritte Baustellen-"Hackler" nicht ausgebildet. Und die bekannte Summe von rund 180 Millionen Euro an Bauschäden jedes Jahr ist wohl auch ein Indiz dafür, dass die Arbeiter mit den Anforderungen nicht Schritt halten können.

Muchitsch: Man muss analysieren, durch wen diese Bausachschäden zustande gekommen sind. Ich kann jetzt nicht verifizieren, wie viel von diesem Volumen letztlich eine Sache von Gewährleistung ist und wie viel durch Pfusch zustande gekommen ist. Fakt ist: Es wird immer Bausachschäden geben. Weil der eine oder andere Häuslbauer beim Fundament oder bei der Betonplatte spart, wo man dann schon nach ein paar Jahren Risse bekommt etc. Teilweise entstehen auch durch Setzungen, Überschwemmungen und steigendes Grundwasser Bauschäden, die nicht vorhersehbar sind. Die Bauwirtschaft ist jedenfalls wirklich bemüht, mit eigenen Infokampagnen wie "BauFair!" und mit kostenlosem Informationsmaterial für Häuslbauer dementsprechend zu informieren.

derStandard.at: Lässt sich dieser natürliche "Bodensatz" an Bausachschäden, mit dem man Ihrer Meinung nach also immer rechnen muss, beziffern?

Muchitsch: Ich würde sagen, dass 50 Prozent der Schäden aufgrund von nicht sachgerechtem Verarbeiten von Baumaterialien oder nicht sachgerechter Handhabung von Maschinen entstehen, was wiederum überwiegend - und das traue ich mich zu behaupten - durch nicht qualifizierte Anbieter am Markt stattfindet. Es gäbe also sicher eine Möglichkeit, das Problem zu halbieren.

derStandard.at: Wird da tatsächlich genug dafür getan?

Muchitsch: Man muss zwischen dem organisierten Pfusch, den Bauleistungen, die in der Familie selbst erbracht werden, und den legalen qualifizierten Anbietern unterscheiden. Der organisierte Pfusch - also wenn Pfuscherpartien durchaus professionell von Haus zu Haus fahren und ihre Leistungen anbieten, wenn sie wo einen Rohbau sehen - ist massiv zu bekämpfen. Da gibt es auch völlige Einigkeit in der Wirtschaft.

Was verstärkt dazukommt, ist der Pfusch, der durch Lohn- und Sozialdumping passiert - durch neue legale, günstigere Anbieter aus dem Ausland, mit neuen Firmen und ihren ausländischen Arbeitnehmern. Wo man ganz genau weiß, dass an der Staatsgrenze die Gewährleistung zu Ende ist. Davor warnen wir ganz massiv. Aus diesem Grund gibt es auch unsere Initiative "Bau auf A. Bauen wir mit österreichischen Materialien und Firmen".

derStandard.at: Welche Rolle spielt da im mehrgeschoßigen Wohnbau der Kostendruck?

Muchitsch: Im mehrgeschoßigen gemeinnützigen Wohnbau arbeiten wir ausschließlich mit heimischen Firmen. Bei den großen privaten Bauträgern, die uns bekannt sind, ist das ebenso. Das Problem besteht eher bei den Einfamilienhäusern, wo von Pfuscherpartien in wenigen Tagen der Estrich, die Fliesen, die Malerarbeiten erledigt werden und die dann wieder von der Bildfläche verschwinden. Hier warnen wir: Hände weg von diesen günstigen Anbietern.

derStandard.at: Mit dem Kostendruck haben Sie auch teilweise Ihre aktuelle Initiative begründet, "Hitzefrei für Bauarbeiter ab 35 Grad". Nachdem sich Ihr Parteigenosse Sozialminister Rudolf Hundstorfer jetzt einmal eher abwartend geäußert hat: Welche Chancen rechnen Sie sich aus?

Muchitsch: Trotzdem sehr gute, weil der Sozialminister auch für Arbeitnehmerschutz verantwortlich ist und ich überzeugt davon bin, dass er seine Verantwortung gegenüber jenen Menschen, die schwer arbeiten und wo Arbeitnehmerschutz stattfinden muss, wahrnehmen wird - denn ab 35 Grad ist das auf der Baustelle nicht mehr gesund. Laut ZAMG geht es da um durchschnittlich 2,7 Tage pro Jahr, gemessen an den letzten fünf Jahren. Das sind meistens am Nachmittag ein paar Stunden. Die Zahlen liegen also am Tisch, die Finanzierbarkeit wird im September weiterverhandelt.

derStandard.at: Zum Thema "Sanierungsscheck" (siehe auch Artikel), bei dem Sie seit Beginn einer der wesentlichen Proponenten sind: 2009 lief die Förderaktion des Bundes für die thermische Sanierung sehr gut, 2011 eher schleppend, heuer ebenfalls zäh. Wie lässt sich diese Aktion denn wieder etwas ankurbeln?

Muchitsch: Das ist jetzt der dritte Sanierungsscheck, und jeder ist unter einer etwas anderen Betrachtung zu bewerten. 2009 war das ein derartiger Boom, weil wir für Einzelmaßnahmen Fördergelder zur Verfügung gestellt haben. In wenigen Wochen war der Sanierungsscheck ausgeräumt. 2010 gab es keine Aktion, wegen der Budgeteinsparungen. 2011 kam der Sanierungsscheck dann mit anderen Richtlinien und Kriterien wieder: Nur wer eine umfassende Sanierung durchführte, kam zu Fördergeldern, dadurch lief das schleppend. Alle einkommensschwachen Haushalte hatten damit nicht mehr so den Zugang, die konnten nicht sagen, wir machen eine umfassende Sanierung, wir nehmen mehr Geld in die Hand, als wir haben.

Aus diesem Grund kam dann 2012 wieder eine Abänderung mit Förderungen von Einzelmaßnahmen, um auch einkommensschwachen Haushalten den Zugang zu dieser Förderung zu ermöglichen - mit dem Zusatz, dass die Förderung bis 2014 gesichert ist. Es war also nicht mehr wie 2009 der Druck einer scheinbar einmaligen Förderung da. Die, die ansuchen wollen, wissen nun, dass sie 2013 und 2014 auch noch diese Förderung in Anspruch nehmen können. Das ist für mich eine Erklärung oder sogar ein Hauptgrund dafür, warum es eher schleppend dahingeht.

derStandard.at: Wenn man Ihre Argumentation zu Ende denkt, war es offenbar ein Fehler der Minister Mitterlehner und Berlakovich, die Aktion gleich für einen Zeitraum von vier Jahren zu fixieren.

Muchitsch: Nein, weil wir dadurch der Bevölkerung, die beabsichtigt, in Sanierung zu investieren, ein bisschen ein größeres Zeitfenster gegeben haben. Da lässt sich zuerst fallweise etwas Eigenkapital ansparen und dann mit weniger Fremdkapital das Haus sanieren. So gesehen war es gescheit, das für einen längeren Zeitraum in Aussicht zu stellen.

Ich bin zuversichtlich, dass der Topf auch heuer bis zum Jahresende wieder voll ausgeschöpft wird. Falls das doch nicht eintritt, bricht aus meiner Sicht nicht die Welt zusammen, sondern dann wird man sich wohl darauf verständigen, diese Gelder ins nächste Jahr zu transferieren.

derStandard.at: Umweltschützer kritisieren wiederholt, dass eigentlich nur noch umfassende Sanierungen gefördert werden sollten, keine Einzelmaßnahmen. Was antworten Sie denen?

Muchitsch: Das ist einfach realitätsfern. Wenn diese Umweltschützer das fehlende Geld den einkommensschwachen Haushalten zur Verfügung stellen, dann bin ich ihrer Meinung. Wenn Sie das nicht machen, dann sollen sie auf den Boden der Realität zurückkommen. Seien wir doch einfach ein bisschen froh, dass Leute mit wenig Einkommen, die in der Vergangenheit ein Eigenheim errichtet haben, jetzt bereit sind, nochmals zu investieren. Denn vor 20 oder 30 Jahren war das kein Thema, ein Haus so generell abzudichten, dass man fast ein Passivhaus erreicht.

derStandard.at: Die durchschnittliche Fördersumme beim Sanierungsscheck beträgt rund 4.000 Euro, das durchschnittliche Projektvolumen erreicht dann aber fast 40.000 Euro. Das heißt, die Förderung beträgt meist "nur" zehn Prozent der Gesamtsumme - unter anderem wegen der Deckelung der Maximalförderung bei 5.000 Euro. Sollte man diese Grenze fallen lassen?

Muchitsch: Da besteht die Gefahr, dass dann wieder nur einkommensstarke Haushalte - wie schon beim zweiten Sanierungsscheck 2011 - alleine hingreifen und die anderen nicht. Es wird ja ohnehin schon mehr saniert als geplant, weil im Zuge der Sanierung oft noch etwas dazukommt, wo man dann sagt, jetzt machen wir das auch gleich mit, wenn die Handwerker schon einmal da sind. Also das Ziel, einen Anreiz zu schaffen, ist erreicht.

derStandard.at: Gibt es schon Überlegungen, wie nächstes Jahr die Förderbedingungen aussehen werden?

Muchitsch: Nein, die Gespräche beginnen immer erst im vierten Quartal und werden dann dem Wirtschaftsminister gegen Jahresende vorgelegt.

derStandard.at: Ihre Vorschläge?

Muchitsch: Wir wollen uns genau anschauen, ob man nicht im Verhältnis von mehrgeschoßigem Wohnbau zu Einfamilienhaus wieder einen anderen Schlüssel findet und auch im Verhältnis zu den gewerblichen Sanierungen, die immer noch stärker zeitlich hintennachhinken.

derStandard.at: Wohnbau ist ein gutes Stichwort. Sie sind seit 2005 nicht mehr im Wohnbauförderungsbeirat des Landes Steiermark, den haben Sie damals aus Protest verlassen ...

Muchitsch: Ja, das war damals im Zuge der Budgetverhandlungen auf Landesebene. Ich war nicht mehr dazu bereit, meine Zeit dem Wohnbauförderungsbeirat zu widmen, der sich sowieso nicht mehr mit Wohnbaufragen befasste; die Gelder wurden für ganz andere Dinge verwendet. Nur hinzugehen und Dinge abzuwinken, das war mir dann zu schade.

derStandard.at: Sie sind ein großer Verfechter der Zweckwidmung der Wohnbauförderung. Wie zuversichtlich sind Sie, dass die mit dem nächsten Finanzausgleich wiederkommt?

Muchitsch: Also, in der ursprünglichen Form wird sie sicher nicht wiederkommen. Da bin ich kein Romantiker und Träumer. Man muss da die Realität anerkennen und sagen: Man wird mit weniger Geld eine neue, bedarfsorientierte Wohnbauförderung brauchen. Und auch vereinbaren - das hoffe ich. Mit klaren Auflagen, wie sie in Zukunft eingesetzt werden soll, für welche Maßnahmen und für welche Förderungen.

derStandard.at: Sie kommen aus dem Bezirk Leibnitz, kennen vermutlich die Situation dort sehr gut. Wie sieht es da aus mit dem Wohnbau, in so einem Abwanderungsbezirk?

Muchitsch: Nein, wir sind ein Zuwanderungsbezirk, als einer von nur vier steirischen Bezirken. Eines ist aber ganz klar erkennbar, und das gilt für ganz Österreich: Der gemeinnützige Wohnbau geht zurück, die Wohneinheiten in diesem Bereich sinken jährlich, weil weniger Geld dafür zur Verfügung gestellt wird - nicht vom Bund, aber von den Ländern. Der private Wohnbau kann das Delta noch halbwegs abfangen, da findet derzeit eine totale Kräfteverschiebung statt.

derStandard.at: Welche Fehler wurden in der Vergangenheit gemacht?

Muchitsch: Wir haben gewissen Interventionen nachgegeben. Der eine oder andere Bürgermeister, der einen Wohnbau benötigte, hat ihn erhalten - da war nicht immer Angebot und Nachfrage oder gar Weitblick Voraussetzung. Das brachte uns in die Situation, dass wir jetzt in manchen Regionen Wohnungen leerstehen haben und dort, wo wir sie bräuchten, kein Geld haben, um neue zu errichten oder alte zu sanieren. Das macht es uns jetzt umso schwieriger, die Wohnbauförderung dementsprechend mehrheitsfähig wieder bedarfsorientiert zweckzubinden.

derStandard.at: Also auch wenn die Zweckwidmung wiederkommt, kann das nicht wieder gutgemacht werden?

Muchitsch: Wir können nicht erwarten, dass die Länder ohne irgendwelche Kompensationen zustimmen werden, die Gelder wieder ausschließlich für Wohnbaumaßnahmen auszugeben. Da brauchen wir einen anderen Ausgleich. Es ist überhaupt ein österreichisches Problem, dass wir Gelder mehrfach verwalten und auch ausgeben und auch mehrere Leute entscheiden, wie das passiert. Da haben wir ein riesiges Potenzial der Überverwaltung in den verschiedensten Bereichen. Im Wohnbau ist es leider auch so.

Österreich ist ja kein Riesenland. Gescheit wäre es, die Wohnbauförderung gezielt in eine Hand zu legen - da sage ich jetzt ganz gewusst Bund -, und der Bund vergibt diese Mittel an jene Regionen bzw. Bundesländer, die beabsichtigen, diese auch für diesen Zweck einzusetzen, und den Bedarf entsprechend nachweisen. Das wäre aus meiner Sicht die Nonplusultra-Lösung.

derStandard.at: Das wissen Sie jetzt als Bauexperte und als SPÖ-Bezirkspolitiker. Aber wie realistisch schätzen Sie es ein, das auch nur in Ihrem eigenen Parlamentsklub durchzubringen?

Muchitsch: Total unrealistisch. Ich sage nur, wie es geht. Aber diese Frage erübrigt sich in ein paar Jahren von alleine, denn dann wird eh kein Geld mehr da sein für leistbares Wohnen. Und vielleicht wachen dann die einen oder anderen Landes- und Bundesverantwortlichen auf. Derzeit konzentrieren wir uns nur auf die Überbegriffe Gesundheit, Pensionen, Soziales - aber wo ist der Begriff Wohnen? Welche Partei nimmt sich endlich dieser Thematik an? Ich sehe derzeit leider keine. Auch nicht meine. Es wird nur abgesichert. Aber neue Wege geht niemand. (Martin Putschögl, derStandard.at, 23.8.2012)