Brüssel - Die Europäische Kommission in Brüssel hat den Beitritt Russlands am heutigen Mittwoch zur Welthandelsorganisation (WTO) begrüßt. "Er wird den Handel und die Investitionstätigkeit erleichtern, zur rascheren Modernisierung der russischen Wirtschaft beitragen und sowohl russischen als auch europäischen Unternehmen eine Fülle von Geschäftsmöglichkeiten erschließen", betonte EU-Handelskommissar Karel de Gucht.

Mit dem WTO-Beitritt Russlands werden die Einfuhrzölle auf Waren von derzeit durchschnittlich 10 Prozent auf durchschnittlich 7,8 Prozent sinken, in Wirtschaftszweigen wie der Automobilindustrie sogar noch stärker, erwartet die EU-Kommission. Ihren Schätzungen zufolge können die EU-Exporteure aufgrund der Zollsenkungen insgesamt 2,5 Mrd. Euro pro Jahr einsparen. Außerdem erwartet die Brüsseler Behörde, dass die EU zusätzlich Waren im Wert von 3,9 Mrd. Euro jährlich nach Russland exportieren wird. Russland werde auch seine derzeitigen Eigenkapital-Obergrenzen für ausländische Investoren im Telekom-Sektor innerhalb von vier Jahren abschaffen.

EU größter Investor

Russland ist mittlerweile der drittgrößte Handelspartner der EU. Der Wert der EU-Exporte nach Russland betrug 2011 nach Angaben der EU-Kommission 108,4 Mrd. Euro, die Importe aus Russland in die Union erreichten im selben Jahr ein Volumen von 199,5 Mrd. Euro. Die Europäische Union ist demnach auch der größte ausländische Investor in Russland mit einem Investitionsvolumen von etwa 120 Mrd. Euro im Jahr 2010. Russland investierte demnach 2010 etwa 42 Mrd. Euro in der EU.

Die EU exportiert nach Angaben der EU-Kommission hauptsächlich Fahrzeuge, Arzneimittel, Autoteile, Telefone, Bauteile und Zugmaschinen nach Russland. Von den Einfuhren aus Russland sind Erdöl und Gas die wichtigsten Produkte.

Nach 19 Jahren Verhandlung

Nach 19 Jahren dauernden Verhandlungen ist Russland seit Mittwoch offiziell Mitglied Welthandelsorganisation WTO. Als neuntgrößte Volkswirtschaft der Welt war es bisher nicht in die WTO eingebunden, nun ist es 156. Mitglied des Verbundes, Ziel der WTO ist die Liberalisierung des Welthandels durch den Abbau von Handelshemmnissen.

Der WTO-Ministerrat stimmte Russlands Aufnahme im Dezember zu, nachdem das letzte große Hindernis dafür beseitigt und ein Abkommen mit der früheren Sowjetrepublik Georgien unterzeichnet worden war. Darin ist der Handel mit zwei abtrünnigen Regionen Georgiens geregelt, die von der Regierung in Moskau unterstützt werden.

Die russische Regierung will die Wirtschaft weniger abhängig von Rohstoffen machen und hofft mit dem WTO-Beitritt auf Investitionen aus dem Ausland. Als neues Mitglied muss Russland nun seine Handelsgesetze und -richtlinien in Einklang mit den WTO-Regeln bringen. Dazu gehört etwa, dass Importe von Waren und Dienstleistungen nicht benachteiligt werden dürfen, Zölle gesenkt und Subventionen in der Landwirtschaft begrenzt werden. Zudem muss Russland für Transparenz bei der Umsetzung von Handelsmaßnahmen sorgen und Urheberrechte von Ausländern stärken. Zu den größeren Ländern, die nicht in der WTO sind, gehören Iran, Irak, Weißrussland, Kasachstan, Usbekistan, Algerien, Bosnien und Serbien. (APA, 22.8.2012)