Heidelberg - Viren waren für Mediziner früher ein im besten Fall zu ignorierendes, oft aber auch krankheitserregendes Phänomen - inzwischen hat die Wissenschaft aber auch längst Viren in ihren Dienst gestellt. Sie können therapeutische Gene in Körperzellen einschleusen oder gezielt als Virustherapie Krebszellen infizieren und zerstören. Für solche Einsätze werden die Viren oft mit zusätzlichen Genen ausgestattet, etwa für Immun-Botenstoffe oder für Proteine, die den programmierten Zelltod auslösen. Diese könnten dem Körper aber auch schaden, würden sie zum falschen Zeitpunkt oder in zu großer Menge freigesetzt. "

"Ideal wäre es, wenn wir die eingeschleusten Gene zu einem bestimmten Zeitpunkt gezielt an- oder abschalten könnten", sagt Dirk Nettelbeck, Virologe aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum. Und genau solche "RNA-Schalter" haben Forscher des Zentrums nun entwickelt. Um einen solchen Schalter zu konstruieren, fügen die Forscher in direkter Nachbarschaft des eingeschleusten Gens synthetische DNA-Abschnitte in das Viruserbgut ein. Dieses Konstrukt wird in der infizierten Zelle gemeinsam mit dem eingeschleusten Gen zu einem einzigen Boten-RNA-Molekül (mRNA) abgelesen. Mit einem Wirkstoff, den die Wissenschafter zu den virusinfizierten Zellen geben, wird der Schalter betätigt. Die Substanz dockt passgenau an das RNA-Molekül an und veranlasst es, sich selbst zu zerschneiden. So kann das potentiell gefährliche Protein nicht hergestellt werden. Diesen Regulationsmechanismus haben sich die Forscher von Bakterien abgeschaut, die die Produktion zahlreicher Proteine über RNA-Schalter steuern.

Die Forschergruppe konstruierte zunächst einen nur 100 Basenpaare langen RNA-Schalter, der durch den Wirkstoff permanent in der "Aus"-Position gehalten wird. Erst wenn kein Wirkstoff mehr zugegeben wird, startet die Produktion des fremden Proteins. "Das war ein erster Beweis, dass RNA-Schalter in Viren überhaupt funktionieren. Genauso gut ist es aber umgekehrt möglich, Schalter zu konstruieren, die erst bei Wirkstoffzugabe die Proteinproduktion ermöglichen", sagt Nettelbeck und ergänzt: "Ist die Technik einmal ausgereift, werden wir Viren für zahlreiche therapeutische Anwendungen besser ausrüsten und kontrollieren können." (red, derStandard.at, 27. 8. 2012)